6776001-1969_22_08.jpg
Digital In Arbeit

Allianz mit Rassensprengstoff

Werbung
Werbung
Werbung

Vom Nordatlantikpakt bis zum Südostasienpakt sind regionale Zonen zu miltärstrategischer Planung im Westen zusammengefaßt. Daher konnte man sich nicht wundem, daß der südafrikanische Außenminister Hilgard Müller nach Buenos Aires reiste, um einen verstärkten Handelsaustausch und „gemeinsame Grundlagen zum antikommunistischen Kampf“ vorzuschlagen. Auf der Pressekonferenz in Buenos Aires erklärte er, daß die verstärkte Tätigkeit der sowjetischen Flotte im Mittelmeer und im Indischen Ozean darauf deute, daß sie bald auch im Südatlantik operieren würde. Nach seiner Rückkehr erklärte er einer südafrikanischen Zeitung, daß Brasilien, Argentinien und Südafrika über eine Militärallianz verhandelten, um die Sowjets fernzuhalten. Inzwischen erwiderte zwar der Kommandant der argentinischen Flotte, Admiral Pedro J. Gnavi den Besuch des Außenministers in Südafrika, aber in Buenos Aires dementierte das Außenministerium und die Admiralität eine solche Allianz. Nun ist die Abwehr sowjetischer U-Boote die einzige strategische Aulgabe, die den lateinamerikanischen Staaten aus USA für den Fall eines großen Konfliktes gestellt ist. Aus diesem Grunde finden auch regelmäßig Manöver „Unitas“ nordamerikani-scher Kriegsschiffe mit argentinischen, brasilianischen und uruguayischen Einheiten statt, aber die Vorstellung, daß die zwei veralteten Flugzeugmutterschiffe, sechs unmoderne U-Boote (über die Argentinien und Brasilien zusammen verfügen) und die acht Zerstörer und U-Boot-Abwehr-Fregatten Südafrikas in der Lage wären, den Südatlantik gegen 50 Nuklearboote und 350 „traditionelle“ U-Boote der Sowjetunion aibzuschinmen, erscheint völlig irreal

Ausschlaggehend für das „Nein“ scheinen alber nicht strategische, sondern weltpolitische Gesichtspunkte gewesen zu sein. Eine echte Militärallianz zwischen Argentinien und Brasilien ist, nachdem auf beiden Seiten der Plan eines „antikommu-nistisehen Heeres“ gegen die Freischärler begraben ist, kaum denkbar, weil sich die argentinischen Offiziere niemals dem brasilianischen Oberbefehl unterordnen wollen und keinerlei. Voraussetzungen für eine militärische Integration bestehen. Dagegen wäre di Koordination von Flottieneinheiten gegen konkrete Gefahren bei dem augenblicklichen Stand der Beziehungen zwischen den beiden größten lateinamerikanischen Ländern — trotz ihrer traditionellen Rivalität — aus rein politischer Sieht denkbar. Eine Allianz mit Südafrika würde aber die internationale Position Argentiniens stark verschlechtern. Obwohl das „Apartheid“ in der argentinischen Öffentlichkeit nicht mit solcher Energie angegriffen wird wie andere Rückstände kolonialer Überheblichkeit, hat Argentinien in der „UN“ stets die afro-asiatischen Staaten bei ihren Anträgen gegen die südafrikanische Rassentrennung unterstützt. Diese Staaten haben sich revanchiert, indem sie in der Mal-winenfrage gegen England stimmten.

Eine weit größere Rolle müßte die Rassenfrage für Brasilien spielen. Man hat oft — übertrieben — die rassenmäßige Integration in Brasilien als Vorbild für USA und noch mehr für Südafrika dargestellt. Aber ab die Integration — vor allem auf sozialem Gebiet — in Brasilien ganz gelungen ist, oder nicht, in jedem Falle widerspricht die Rassendiskriminierung, nicht nur der „Kulturnorm“ und den Gesetzen, sondern auch der Volksanschauung in Brasilien, dessen Bevölkerung zu etwa 37 Prozent aus Nichtweißen besteht. Eine Militärallianz zwischen einem Staate, der das „Apartheid“ praktiziert und einem Lande, für das die Rassenmischung typisch ist, ist nur schwer vorstellbar. Um so merkwürdiger ist, daß die Fäden zwischen Brasilien und Südafrika auf anderem Gebiet fester geknüpft werden. Die südafrikanische staatliche . Fluggesellschaft hat eine heue Linie Kapstadt—Rio de Janeiro-rWashington eingerichtet und unter flen Ehrengästen zum Eröffnumjjsflug nicht nur den argentinischen Minister für Information und Fremdenverkehr (Frischknecht), sondern auch eine Reihe brasilianischer Minister (den für Planung Helio Belträo, den für Handel und Industrie Edmundo Maccde Soares und den früheren Außenminister Juracy Magalhäes) ' eingeladen. Man sprach zwar nicht mehr von Militärallianzen, sondern nur noch vom Touristenverkehr; aber bei der Fülle von Reisezielen, die sich für die interkontinentale Planung bieten, mag freilich überraschen, daß ein Land der traditionellen Rassen-misch'ung wie Brasilien auch nur den systematischen Besucheraustausch mit einem Staate organisiert, der wegen seiner Rassentrennung auf internationaler Ebene verfemt ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung