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Das Drama in Barcelona

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Einen Tag, nadidem der Heilige Vater, am 11. März, über den Rundfunk zu den in allen größeren Orten des Landes vor den Lautsprechern versammelten s p a n i s c he n Arbeitern gesprochen hatte — glücklicherweise ließ sich aus seinen Worten entnehmen, daß er die unglückliche Lage weiter Kreise des spanischen Volkes kenne, so daß die spanische Propaganda keinen Anhaltspunkt zum „Einhaken“ fand —, brach in Barcelona ein Generalstreik aus, der das Leben der Stadt vollkommen lahmlegte, sofort auf andere katalonische Orte übergriff und dessen letzte Widerstände erst am Ende der Woche gebrochen werden konnten. Die Streikposten und Paroleläufer hatten es diesmal leicht, die schließlich durch ihre anderthalb Jahrzehnte schmerzhafter Erfahrungen durchaus nicht mehr mutigen Arbeiter nicht nur zum Daheimbleiben zu veranlassen, sondern einen großen Teil von ihnen auch auf die Straße zu bringen: sie konnten sagen, die Syndikate und die Delegierten des eben in Madrid beendeten Arbeiterkongresses begünstigten den Streik. Von all diesen Seiten waren in den letzten Wochen und Tagen über kompromißlose, sofortige Lösungen fordernde, starke'Worte; geschrieben und gesprochen Worden. Selbst Stellen aus der Ansprache des Hl. Vaters konnten als Streikparole herhalten. „Tu“ (Katholische Aktion) hätte zwei Tage vorher gegen die Tariferhöhungen der städtischen Verkehrsmittel protestiert, denn die neuen Fahrpreise bedeuteten, daß ein großer Teil der zu und von ihren Arbeitsstätten fahren-' den Arbeiter täglich 10 Prozent ihr es Tag loh n e s hergeben mußten bei einer zweimaligen Benützung innerhalb der Stadt! Diese Tariferhöhungen hatten schon vorher zu einem „passiven Streik“ der Verkehrs-mittelbenützer, auch der Studenten, geführt. Arbeits- und Produktionsausfälle in den Betrieben waren die Folge. Schon gegen diesen „Streik“ hatte der Gouverneur drastische Maßnahmen angedroht. Der Alkalde war im Verlauf der Diskussionen mit den Verkehrsgesellschaften zurückgetreten. Als nun am 12. März der offene Streik ausgebrochen war — auch die Zeitungen erschienen nicht —, war die Polizei zunächst desorientiert, als Manifestanten mit Plakaten durch die Straßen zogen, auf denen Zitate aus den Reden des Arbeitsministers G i r 6 n und Francos selbst zu lesen standen. Die Massen riefen „Viva Girön“ und „Viva Franco“, und erst als sie 'sich dem Rathaus und dem Palast des Gouverneurs näherten, kam es zur Gewaltanwendung von seiten der Polizei. Zu Mittag ließ der Gouverneur durch die Lautsprecher der Stadt den Streik für ungesetzlich erklären und forderte die Arbeiter auf, an ihre Arbeitsstätten zurückzukehren, und die Geschäftsinhaber, ihre Laden zu öffnen. Verhaftungen erfolgten; Zusammenstöße mit der Polizei forderten die ersten Opfer, Gerüchte sprachen von Toten. Der Aufruf des Gouverneurs war im charakteristischen Stil autoritärer Machthaber gehalten und vernichtete, leider, muß man sagen, den günstigen Eindruck, den ausländische Beobachter aus den letzten Verlautbarungen der Regierung und auf dem „Arbeiterkongreß“ in Madrid gewonnen hatten: „Die Regierung fühlt lebhaft die Wünsche und Sorgen des spanischen Volkes und versucht, mit wachsamer Aufmerksamkeit und mit bestmöglicher Wirksamkeit mit allen Kräften seine Nöte zu lindern“; unmittelbar an diese verständnisvoll klingenden Worte schließt die Drohung an: „Aber gleichzeitig hat die Regierung mehr als ausreichende Mittel in der Hand, um jede Art dunkler Manöver zum Scheitern zu bringen, und sie ist entschlossen, die ganze Härte des Gesetzes gegen alle diejenigen anzuwenden, die mehr oder weniger direkt- und unter dem Diktat .uneingestandener Interessen' den .sozialen Frieden' unterwühlen ...“

Damit fiel das Stichwort für die spanische Presse, aber sie sprach diesmal nur mit sehr schwacher Überzeugung von „kommunistischen Agenten“. Aber wo Hunger und Elend breiter Volkskreise im Angesicht so unbesorgt aufreizend zur Schau gestellten Luxus und Wohllebens wie in Spanien, das Gemüt des Volkes vergiften, können kommunistische Agenten Ferien machen!

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