6700192-1963_25_06.jpg
Digital In Arbeit

Der Minister und das Mädchen

Werbung
Werbung
Werbung

Seit Wochen erschüttert ein Skandal Großbritannien, von dem man nicht weiß, ob dabei die gesellschaftlichen, politischen oder moralischen Aspekte schwerer wiegen. Tag für Tag überstürzten sich die Ereignisse, und es ist noch nicht abzusehen, welche innenpolitische Auswirkung die beispiellose Handlungsweise des Mr. John Prof um o, 48 Jahre alt, schließlich haben wird. Bekanntlich unterhielt der

ehemalige Staatssekretär für Heereswesen — sein tatsächlicher Rang entsprach nämlich nicht dem eines Ministers — intime Beziehungen mit der jetzt 21 Jahre alten Christine K e e 1 e r zu einer Zeit, als das „Photomodell“ ein gleiches Verhältnis mit dem stellvertretenden sowjetischen Marineattache in London, Eugen Iwanow, der inzwischen „zur Berichterstattung“ nach Moskau gerufen wurde, hatte.

Ein „politisches“ Dreieck

Ist schon diese Dreieck-Situation eines verheirateten Regierunigsmit-gliedes für englische Verhältnisse sensationell, wurde die Affäre zur größten innenpolitischen Krise Großbritanniens seit dem Suezabenteuer Edens durch die persönliche Stellungnahme Profumos im Unterhaus am 22. März, als er jegliche „unschickliche“ Verbindung mit Miß Keeler zurückwies und allen mit Ehrenbeleidigungsklaigen drohte, die etwas anderes behaupten sollten. Als Mr. Profumo seine von höheren Regierungsmitgliedern beratene und gutgeheißene Erklärung beendet hatte, stand Premierminister M a c M i 11 a n spontan auf und applaudierte, Profumo damit gleichsam in aller Öffentlichkeit reinwaschend.

Unter dem Druck des Beweismaterials und nach einem Kreuzverhör, gestand der ehemalige Staatssekretär schließlich am 4. Juni dem Chefeinpeitscher der Konservativen, Mr. R e d-m a y n e, ein, am 22. März das Unterhaus, seine Regierungskollegen, seine Familie und die ganze Nation belogen zu haben. Selbstverständlich wurde er sofort zur Demission aufgefordert, und es wurde ihm gleichzeitig nahegelegt, von einer Abschiedsaudienz bei der Königin Abstand zu nehmen.

Bereits vor zwei Jahren gewarnt!

Einen vorläufigen Höhepunkt fand der Skandal in der Unterhausdebatte vom 17. Juni, in der Oppositionsführer Wilson dem Premierminister und der Regierung vorwarf, schon im März von dem schändlichen, die Sicherheit des Staates gefährdenden Verhalten des ehemaligen Staatssekretärs gewußt

zu haben. Er selbst habe Mr. MacMil-lan mehrmals gewarnt, ohne damit einen Erfolg zu erzielen. Offenbar sei die konservative Regierung bemüht gewesen, diese beispiellose Affäre der Öffentlichkeit zu verheimlichen. In einer einstündigen Rede verteidigte sich MacMillan (er ist auch für die Staatssicherheit verantwortlich), indem er zugab, daß schon Ende März Gewißheit über den Versuch des Mode-

arztes Dr. Ward bestanden habe, Mr. Profumo Staatsgeheimnisse zu entlocken. Sir Norman Brook, einer der obersten Beamten im Sicherheitsdienst, habe schon im Sommer 1961 den damaligen Staatssekretär vor Dr. Ward gewarnt. Von dem Verhältnis mit Miß Keeler wäre allerdings nichts bekannt gewesen. Der Sicherheitsdienst habe ihn (MacMillan) Ende März „leider“ nicht von der Lüge Profumos informiert. „Meine Kollegen wurden getäuscht, ich selbst bin getäuscht worden — aber wir (die Regierung) haben dazu nichts beigetragen.“

Im weiteren Verlauf der Debatte forderten der Führer der Liberalen Partei, Joe G r i m o n d, sowie der ehemalige konservative Staatssekretär Ni-gel B i r c h den Rücktritt MacMillans. In der anschließenden Abstimmung wurde der Mißtrauensantrag mit 321 gegen 252 Stimmen abgelehnt. Eine Reihe von konservativen Abgeordneten enthielt sich der Stimme, einige stimm-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung