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Dokument der Menschlichkeit
Eichmann-Prozeß . . . Schönpflug- Prozeß .. . Verhaftung eines Kommandanten von Theresienstadt in Graz. Es sind dunkle Schatten dei Vergangenheit, die hier herauf steigen. Sie fallen auch über unser Land und manchen seiner Bewohner.
Aber es gab immer auch ein anderes Österreich. Es gab auch in der düstersten Zeit Mitmenschen, die diesen Namen mit Recht tragen durften. Davon gibt eine Urkunde Zeugnis, die von einem Bewohner der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Rohr im Gebirge uns zur Kenntnis gebracht wird. Sie verdient weitgehende Publizität.
„Die gefertigten ungarischen Juden wurden im Juli 1944 aus ihrer Heimat nach Österreich verschleppt. Einige von ihnen wurden schon beim Einzug der Deutschen nach Ungarn als Geiseln verhaftet. In Österreich (damals Deutschland) wurden sie dem LW.- Bef.-Stab 1IXNU zugeteilt und am 27. März 1945 unter der Führung eines Feldwebels nach Rohr im Gebirge zur Zwangsarbeit abkommandiert.
Beim Vorstoß der Russen wurde der verantwortliche Feldwebel von seiner Dienststelle nach dem Westen des Landes versetzt und wir wurden der Gendarmerie unterstellt. Wir blieben ohne jeden Schutz, abgeschlossen von der Welt, ohne Lebensmittel und ausbeliefert der Willkürherrschaft der in Rohr im Gebirge stationierten SS 'Leibstandarte Adolf Hitler) zurück. In dieser hoffnungslosen Lage eilte uns die Rohrer Bevölkerung unter der Führung des- dortigen Pfarrprovisors, °eter Lorenz, zu Hilfe. Sie kümmerte -ich nicht um die Gefahr, der sie sich lussetzte, und half uns trotz der bekannten Rachsucht der SS. Die Rohrer Bevölkerung hatte uns schon bei tnserer Ankunft mit Liebe und menschlich aufgenommen und sich be- 'eit erklärt, uns, wenn wir von der SS im Leben bedroht werden sollten, in den Wäldern zu verstecken. Hier sei tuch bemerkt, daß in der kritischesten
Zeit (die sechs Wochen dauerte) kein Rohrer den Nationalsozialisten odei der SS verraten hat, daß die in Rohi weilenden ungarischen Zivilarbeitei Juden sind.
Beim Einzug der Russen, als die Geschäfte gesperrt und wir wieder ohne Verpflegung waren, sorgten die Rohrei weiter für uns, genau wie in den letzten sechs Wochen des Krieges. Die Leute brachten die Lebensmittel in den Pfarrhof, damit der Pfarrer sie unauffällig an uns weiterleite. Die Gemeinde bemühte sich auch, uns bei der Heimkehr nach Ungarn zu helfen. Wir hatten auch Frauen, alte Leute wie auch Kinder in unserem Kreise.
Wir fühlen uns moralisch verpflichtet, allen Rohrern, und ganz besonders einzelnen (Wagner, Maar, Mages, Gruber usw.), die sich für uns eingesetzt und uns viel geholfen haben, zu danken. Wir wollen diesen unseren Dank auch schriftlich bezeugen, damit die Gemeinde in späteren Zeiten es nachweisen könne, daß sie verfolgten Menschen geholfen hat. Die Rohrer Bevölkerung und ihre geistigen Führer haben uns ja in der bittersten Zeit unseres Lebens geholfen, und viele haben ihr Hab und Gut wie auch ihr Leben für uns aufs Spiel gesetzt.“
Rohr im Gebirge, am 17. Mai 1945 Sechzehn Unterschriften
Mag sein, daß uns der Einwohner des Ortes Rohr im Gebirge den Text der obenstehenden Urkunde zugeschickt hat, weil er damit — und zu Recht — beweisen wollte, daß es in Österreich Menschen und Orte gibt, welche die Zeit von 1938 bis 1945 nicht als einen bodenlosen Sumpf betrachten, in den jegliche Menschlichkeit tief versank, über den keine Brücke vom Vorher ins Nachher führt und der also auch heute noch vorsichtig und unter Hinweis auf den alten verräterischen Satz „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ umgangen werden müßte.
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