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DR. AUGUST P. RAFT-MARWIL / DEN AMERIKANERN VORAUS

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Die österreichische Verkehrsluftfahrt, die dieser Tage ihr 40jähriges Jubiläum begeht, hat allen Grund, auf ihren ersten Piloten und Organisator der ersten Flugpostlinie der Welt stolz zu sein. „Immerhin waren wir den Amerikanern um sechs Wochen voraus.“ Bin fast bubenhaftes Lächeln erhellt die Züge Dr. Raft-Marwils, der vor 73 Jahren als Sohn einer österreichischen Offiziersfamilie geboren wurde. Der junge Olmützer Landwehr-Ulanen-Offizier Raft-Marwil, auch heute noch leidenschaftlicher Sportsmann, interessierte sich schon sehr bald für die Fliegerei, obwohl der Minister für Landesverteidigung,

Freiherr von Georgi, seinen Offizieren die Beschäftigung mit der „Aviatlk“ untersagt hatte. Erst 1916 wurde er an die Fliegeroffiziersschule nach Wiener Neustadt kommandiert, nach deren Absolvierung er, zunächst als Beobachter, an die lsonzofront versetzt wurde, um jedoch bald das Kommando der Fliegerkompanie Nr. 2 zu übernehmen.

Anfang März 1918 wurde der junge Rittmeister telegraphisch nach Wien, zu General Emil Uzelac, dem Kommandanten der k. u. k. Luftstreitkräfte, gerufen, der den Rittmeister beauftragte, eine regelmäßige Flugverbindung Wien—Kiew einzurichten. Der 1917 geschlossene Friede von Brest-Litowsk hatte die selbständig gewordene Ukraine eng an die Mittelmächte gebunden, für die das ukrainische Korn lebenswichtig geworden war, daher sollte die Linie Wien—Kiew eine schnelle Verbindung zur k. u. k. Militärmission in der Ukraine sichern. Raft-Marwil mußte die Vorarbeiten binnen kürzester Zeit leisten, und schließlich, nach zehn Tagen Probeflügen, wurde die Linie am 1. April 1918 dem Verkehr übergeben. Freilich waren es nicht die modernsten Maschinen, die der Fluglinie zugeteilt wurden, auch Nachrichtenübermittlung und Wetterdienst steckten noch in den Kinderschuhen. Raft-Marwil und seine Männer waren echte Pioniere der österreichischen Luftfahrt, die wohl auf

eine würdige Tradition verweisen kann.

Raft-Marwil richtete auch die Fluglinie Wien—Budapest—Odessa ein, die Ungarn, dem Proporz der alten Monarchie entsprechend, für sich gefordert hatte. Wieder stand ihm Hauptmann d. G. Alexander Lohr, der als Generaloberst 1945 ein tragisches Ende finden sollte, als Chef der Abteilung Vll des Kriegsministeriums hilfreich zur Seite.

Am 23. Oktober startete Raft-Marwil zu seinem letzten Flug als k. u. k. Offizier. Die Geheimorder, die ihm mitgegeben worden war, konte er nicht mehr erledigen: er traf das Armeeoberkommando Ost in voller Auflösung an. Ein Sonderzug brachte den Flieger, zusammen mit den Angehörigen des Armeeoberkommandos Ost, in die Heimat zurück. Die Flugzeuge und das Material wurden dem ukrainischen Nationalrat geschenkt. ..

Der neuen Republik Österreich wurde die Militärluftfahrt nicht gestattet. Polizeipräsident Dr. Schober, der beste Beziehungen zur Entente-Kommission in Österreich hatte, gab Befehl zur Aufstellung von drei Polizeiflugstaffeln, die den Kader der künftigen Heeresfliegerei bilden sollten. Die Polizeiflugstaffeln standen unter dem Kommando der ehemaligen Fliegeroffiziere Nikitsch und Raft-Marwil, Verbindungsoffiziere des Bundesheeres waren Oberst d. G. Theodor Kömer, der spätere Bundesprä-

sident, und Hauptmann d. G. Lohr. Beide Offiziere, und das erwies sich bald als von großem Nutzen, waren mit Raft-Marwil gut bekannt. Freilich gab die Entente-Kommission bald den Befehl zur gänzlichen Zerstörung aller in Österreich noch vorhandenen Flugzeuge, die Polizeiflugstaffeln mußten also aufgelöst werden. Raft-Marwil blieb jedoch im Polizeidienst, inskribierte an der juristischen Fakultät Graz und wurde 1922 zum Doctor iuris promoviert. Nach dem tödlichen Unfall seines Freundes, des Polizeirates Doktor Nikitsch, übernahm Dr. Raft-Marwil 1927 die Leitung des Flughafens Aspern bei Wien. 1936 ins Handelsministerium berufen, führte Doktor Raft-Marwil als Sektionsrat die praktischen Luftfahrtsangelegenheiten. 1938 als Oberregierungsrat dem Reichsluftfahrtsministerium unterstellt, wurde Dr. Raft-Marwil bereits 1940 in den Ruhestand versetzt, stellte sich jedoch 1945 sofort wieder der Republik Österreich zur Verfügung. Dort leitete er als Ministerialrat zuletzt das Luftamt des Verkehrsministeriums.

Die österreichische Luftfahrt hat ihre Pioniere nicht vergessen: Doktor Raft-Mdrwil und sein Freund, der Konstrukteur Ing. lgo Etrich, würden mit Orden ausgezeichnet und geehrt. Warum also das Licht unter den Scheffel stellen? Gibt es doch damit etwas, worin wir den USA voraus sind und worauf wir stolz sein können.

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