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„Es bleibt bei meinem Willen!“

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Der Kaiser wollte nun durch einen allgemeinen Informationsdienst und durch entsprechende Schulung der Industriellen eine hochwertige Erzeugung inländischer Produkte erzielen. Zu diesem Zweck wollte er staatliche Frachtämter schaffen („Güterbestätterämter“), womit die Einfuhrkontrolle geschaffen gewesen wäre und den Kaufleuten bei der Güterverfrachtung aus dem Ausland eine redliche Hilfe in nicht ausnützender Weise zur Verfügung gestellt würde. Es sollte hierin kein Zwang bestehen, aber gerade die Zuvorkommenheit der staatlichen Transportleistung sollte hier für die Kaufleute das Maßgebende werden. Es ergaben sich freilich große Schwierigkeiten, weil natürlich die bisherigen Transportunternehmungen entgegenarbeiteten. Die Gegenverhandlungen und Gegenvorschläge von Privaten waren sehr eindringlich, doch der Kaiser schnitt nach einigen Wochen diese langatmigen Vorschläge und Diskussionen mit. den einfachen Worten: „Es bleibt bei meinem Willen“, ab und unterstellte in weiser Voraussicht die Frachtamtsangelegenheit der niederösterreichischen Landesregierung.

Die weitere Bestimmung ging dahin, daß der Geldüberschuß, welcher sich bei den Transporttarifen ergeben sollte, für die Errichtung einer Industriellen hohen Schule und für Informationseinrichtungen verwendet werden sollten, welche für den ganzen Staat bestimmt waren.'

Damit war — ohne bestehende Geldangelegenheiten anzugreifen — ein Fonds für das Polytechnische Institut geschaffen. Auf Grund solcher Vorbereitungssituationen bekam die niederösterreichische Landesregierung 1803 die Aufgabe, ein Projekt für ein derartiges Institut der Hofkammer vorzulegen. Diese Vorlage war in Zusammenhang mit der neu installierten Fabrikeninspektion gedacht, welche gleichsam die Studienobjekte liefern sollte. Kaiser Franz hatte zwei Experten herangezogen, jenen Dr. Jaßnüger, und den Professor für Landwirtschaft an der Wiener Universität, Reg.-Rat Jordan. An der Universität waren nämlich vorbereitend bereits Vorlesungen installiert worden, welche dann vom neuen Institut übernommen werden sollten. Deshalb stand auch im ersten Jahrzehnt seines Bestandes das technologische Projekt immer in Verbindung mit der Universität, beide Hochschulen waren dadurch von vornherein „gleichgeschaltet“.

Dr. Jaßnüger hatte das chemisch-technologische und das ökonomische Wesen des Projektes gemeinsam zu bearbeiten, eine Verbindung, die offenbar auch im Sinn der maria-theresianischen Auffassung lag. Jordan wiederum sollte mit seinen großen Erfahrungen dem Jaßnügerschen Projekt gleichsam assistieren. Der Kaiser war bei diesen Unterhandlungen stets für die wissenschaftliche Behandlung des Unterrichtes eingetreten, entgegen den damals in den Hochschulkreisen üblichen empirischen Methoden. Auch Jordan war Empiriker gewesen, doch als um 1805 dann das Jaßnügersche Projekt in einem ökonomischen und einen technologischen Teil gesprengt wurde, erhielt die Landesregierung den „Jaßnügerischen Plan insoweit er das Technische betrifft“ von Kaiser Franz als Grundlage ihres eigenen Planes und zur Einarbeitung. In einem Departement in der Landesregierung nämlich, dem des Hofrates Baron Lederer, hatte sich vor allem Graf Kielmannsegg damit zu beschäftigen. Der Kaiser selbst ging sofort daran, Teilinstitute des Jaßnügerschen Planes in einer die Staatskasse nicht allzu belastenden Weise zu gründen, sie wertvollen Persönlichkeiten zu unterstellen und auf diese Weise — meist mit Privatmitteln — die Arbeitsfähigkeit dieser Abteilungen zu erproben. Dieser Gedankengang entwickelte sich ganz vollendet, so daß bei den sehr stürmischen Schlußverhandlungen der Finanzdienststellen um das Polytechnische Institut oft zur Erheiterung gemeldet wurde, daß durch kaiserliche Erlässe die fraglichen Stellen ohnedies schon bestünden. Ein sehr wichtiger vorgeschaffener Bestandteil war das dem Direktor der Pottendorfer Spinnfabrik unterstellte Fabriksproduktenkabinett, an welchem dann Joseph Prechtl, solange das Gebäude auf der Wieden noch nicht adaptiert war, seine Vorlesungen für das Polytechnische Institut hielt. Den Titel der Anstalt bestimmte der Kaiser selbst, entgegen anderen Vorschlägen. Sein Gedanke war, durch Schaustellungen der Erfindungen des In- und Auslandes sowie durch entsprechende

Informationen und Schulungen die technischen Berufe auf möglichste Höhe zu bringen. Schaustellungen und Schulung gingen gleichwertig nebeneinander, wie dies dann auch in anderen Fällen — denken wir nur an das Joanneum in Graz oder an die Wiener Kunstgewerbeschule — später durchgeführt wurde. Dies war der Grundgedanke für den großen Ausbau des Hauptgebäudes der Wiener Technischen Hochschule durch Professor Stummer, wobei die neuen Räume vor allem für Ausstellungen gedacht waren. Das von der Landesregierung bereits auf 60 Bogen ausgearbeitete Organisationsprojekt wurde nach der Versetzung Kielmannseggs in die Hofkanzlei dem chemischen Technologen der Wiener Realakademie Joseph Prechtl zur Schlußformulierung als „Organisationshauptplan“ übergeben, zu welcher Endfassung der Kaiser selbst die Grundlinien erarbeitete und sie der Landesregierung übergab. Sie waren das „Gerippe“ — wie sich die Landesregierung ausdrückte — auf welchem der Plan aufbaute. Leider kam naturgegeben bei dieser Stellenregulierung eine schwere Unterordnung der bisher selbständig mit großen Idealismus an den Einzelunternehmungen vorarbeitenden „Vorstände“ heraus. Eine unerquickliche Lage, welche der Landesregierung böse Situationen einbrachte. Der Kaiser schuf unter dem äußerst tüchtigen Beamten Grafen Ugarte die Studienhofkorrimission neu und unterstellte das Unternehmen des Polytechnischen Institutes dadurch vor allem Ugarte, der nun mit seinen präzisen und geistreichen Vorschlägen eingriff. Das Polytechnische Institut wurde von der Universität und der Fabrikeninspektion getrennt und auf der Realakademie aufgebaut. Dies war der Vorschlag Ugartes gewesen, den Prechtl auszuführen gedachte. Leider kostete der nunmehrige Ideengang bislang wertvoll mithelfende Kräfte, welche sich dem neuen System .nicht unterordnen wollten: So zog sich auch die Wiener Manufakturzeichenschule zurück.

Erst als diese personalen Angelegenheiten ausgeglichen waren, unterschrieb der Kaiser 1816 den Organisationsplan. Die Auswahl und Stellungsregelung der Lehrkräfte und die Erwerbungen für die Einrichtung der Studienabteilungen waren in seinem Arbeitsprogramm festgesetzt: Die Professoren wenden sich an den Kaiser, als wäre er der eigentliche Rektor. Damit war — in diplomatischer Art — das Abhängigkeitsverhältnis zu Prechtl umgangen worden, der nach den Akten nicht mehr primus inter pares sein konnte. Er war ein großartiger Organisator, jedoch jener taktische Mangel seiner Persönlichkeit sollte später seinen Sturz herbeiführen; unter Kaiser Franz war doch immer noch ein, wenn auch manchmal erheiternder Ausgleich zustande gekommen.

Eines geht aus den Akten deutlich hervor: Ohne den Kaiser Franz und seinen beharrlichen Idealismus wäre das Polytechnische Institut und damit unsere jubilierende „Technik“ nie entstanden...

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