6776686-1969_25_11.jpg
Digital In Arbeit

Kirchliches Leben in der CSSR

19451960198020002020

„Das Wissen um die nahenden politischen Entscheidungen zieht viele Menschen in die Kirche, die sie durch viele Jahre hindurch nicht betreten haben.“ Dieser Satz, der in einem Bericht über die Lage der Kirche in der Tschechoslowakei in der in Rom erscheinenden tschechischen Monatsschrift „Novy zivot“ („Neues Leben“) steht, sagt eine Grundwahrheit aus: Hinter dem Eisernen Vorhang beschuldigen die Katholiken einander weniger des „Progressismus“ oder des „Konservativismus“ als in der freien Welt — dafür beten sie mehr um den Beistand des Heiligen Geistes und bemühen sich, ihre Präsenz im Auf und Ab des nunmehr schon mehr als 21 Jahre währenden kommunistischen Regimes zu beweisen.

19451960198020002020

„Das Wissen um die nahenden politischen Entscheidungen zieht viele Menschen in die Kirche, die sie durch viele Jahre hindurch nicht betreten haben.“ Dieser Satz, der in einem Bericht über die Lage der Kirche in der Tschechoslowakei in der in Rom erscheinenden tschechischen Monatsschrift „Novy zivot“ („Neues Leben“) steht, sagt eine Grundwahrheit aus: Hinter dem Eisernen Vorhang beschuldigen die Katholiken einander weniger des „Progressismus“ oder des „Konservativismus“ als in der freien Welt — dafür beten sie mehr um den Beistand des Heiligen Geistes und bemühen sich, ihre Präsenz im Auf und Ab des nunmehr schon mehr als 21 Jahre währenden kommunistischen Regimes zu beweisen.

Werbung
Werbung
Werbung

Im Sinne dieser Präsenz haben die Katholiken Böhmens und Mährens jüngst den Versuch gemacht, die Rückkehr des Religionsunterrichts in die Schulen durchzusetzen. Das ist nicht gelungen. Der Schulminister der tschechischen (böhmisch-mährischen) Teilrepublik der föderativen Tschechoslowakei, Prof. Bezdicek, hat die Einführung des Religionsunterrichtes unter Hinweis darauf abgelehnt, daß laut der kommunistischen Verfassung der gesamte Schulunterricht der Unterstützung des „Humanismus, der Toleranz und der sozialen Gerechtigkeit“ zu dienen habe. Schwer, keine Satire zu schreiben! Anderseits sind auch positive Entwicklungen zu registrieren. So wurde in diesem Jahr zum ersten Male beim Internationalen Frauentag in Prag (8. März) die Tätigkeit der Ordensschwestern gewürdigt: Dr. Erika Kadlecovä, Leiterin des Sekretariats für kirchliche Angelegenheit, dankte in Anwesenheit der Vorsitzenden des tschechischen Frauenverbandes den Vertreterinnen aller weiblichen Orden und Kongregationen für ihre Arbeit, namentlich auf dem Gebiet der Pflege der Kranken und Unheilbaren — den im früheren Benediktinerkloster Braunau in Nordböhmen (Broumov) konzentrierten Schwestern machten aus diesem Anlaß der Vorsitzende des örtlichen Nationalausschusses und die Vorsitzende des örtlichen Frauenverbandsausschusses einen offiziellen Besuch und übergaben ihnen kleine Geschenke der Schulkinder, welche zudem für die Schwestern ein „Kulturprogramm“ veranstalteten. „Vigilia“ nennt sich ein Kreis von Studenten und Hochschulabsolventen in Prag, der sich an jedem Donnerstag in der Thomaskirche auf der Prager Kleinseite zu Gottesdiensten oder zu religiös-kulturellen Rezitationsabenden versammelt. Der Kreis, welcher die Unterstützung des Prager Hochschulparlaments genießt, hat mit besonderem Erfolg einen Vortrag über den Sinn der Osterliturgie und einen vorösterlichen Meditationsabend veranstaltet: er plant die Gründung eines eigenen Kirchenchors. Im Rahmen eines Kurses katholischer Theologen, „Lebendige Theologie“, sprach im April P. Dr. Karl Rahner SJ. an drei Abenden in Prag: Die Themen waren: „Die moderne Konzeption des Priesters“, „Die gesellschaftskritische Aufgabe der Kirche“ und „Die Zukunft der Kirche“. Im neugegründeten Prager Verlag „Horizont“ (der der „Sozialistischen Akademie“ gehört) ist das Erscheinen eines Heftes „Modernes Christentum“ angekündigt, in welchem zwölf Essays von neun bedeutenden Vertretern des zeitgenössischen christlichen Gedankens in der Tschechoslowakei zusammengefaßt sein werden. Der Budweiser Bischof Dr. Josef Hiouch hat im tschechischen Theologenseminar Leitmeritz (Litomefice) im März 49 Studenten der Theologie die niederen Weihen und 24 die Subdia-konsweihen erteilt: in den früheren Jahren herrschte ein Numerus clausus für nur je 20 Theologiestudenten in Böhmen-Mähren und der Slowakei. Gleichfalls im März hat ein besonderer Senat des Kreisgerichtes in Brünn ein Urteil vom Jänner 1958 über sechs tschechische Prämon-stratenser aufgehoben: sie waren wegen „Zersetzung der Republik“ verurteilt worden, weil sie trotz der staatlich verfügten Auflösung ihrer Ordensgemeinschaft miteinander Verkehr gepflegt und unerlaubt priesterliche Funktionen ausgeübt hatten. Die tschechischen Katholiken warten noch auf die den weiblichen Kongregationen versprochene Erlaubnis, wieder Novizinnen aufnehmen zu dürfen (was ihnen vor bald 20 Jahren untersagt worden ist): in der Tat setzt sich auch das kommunistische Arbeits- und Sozialfürsorgeministerium dafür ein, weil sie für die Auffüllung des Pflegepersonals dringend gebraucht würden. So besteht Hoffnung, daß auch dieses Problem bald positiv erledigt werden kann. Kaum zu einer für die Kirche günstigen Erledigung dürfte dagegen die Diskussion führen, wer den Erlös aus dem Verkauf des tschechischen Katechismus einstecken darf, welcher mit einer Geldspende der Caritas internationalis gedruckt worden ist. Der Gewinn betrug 725.120 Kronen — und die tschechische Katholische Caritas nahm an, daß sie diesen für ihre Zwecke behalten und verbrauchen könne. Dem war aber nicht so: Die Staatskasse beanspruchte diesen Betrag! Die Caritas-Beamtin Anna Bartosovä hat diese peinliche Angelegenheit in der Zeitung „Listy* unter dem Titel „Sind wir wirklich gleichberechtigte Bürger?“ veröffentlicht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung