6547285-1947_22_08.jpg
Digital In Arbeit

Polnisches Theater nach schwerem Erlebnis

Werbung
Werbung
Werbung

Die polnische Kultur kann nach den Jahren der Hitlerherrschaft in Polen, die eine Zeit vollkommener Finsternis war, nur langsam wieder aufleben. Vor ihrem Rückzug aus Polen verwandelten die Abziehenden die sdiönstcn Theater des Landes in Schutthaufen. Nur wenige Schauspieler und Bühnenschriftsteller haben die qualvollen Jahre der Okkupation überlebt.

Um diese Tatsachen zu verstehen, muß man sich die Zeit der Besetzung wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Nach der Eroberung Polens schlössen die Deutschen alle Theater mit Ausnahme weniger, die aber nur für zweitrangige Operettenaufführungen Verwendung fanden. Der Reinertrag dieser Bemühungen der Goebbels - Propaganda wurde einem deutschen Armeefonds zugeführt.

Kein anständiger polnisdier Schauspieler gab sich zu solchen Vorstellungen her, wer es tat, wurde sogar von einem Großteil des Publikums boykottiert. Um ihren Protest noch mehr zu betonen und ihre Abkehr von der durch die Fremdherrschaft regierten Bühne zu unterstreichen, ergriffen die Schauspieler verschiedene Beschäftigungen, die mit ihrem Beruf nichts Gemeinsames hatten. So zum Beispiel eröffneten sie eine Reihe von Kaffeehäusern, in denen .sie selbst die Gast* bedienten. Eines der ersten Cafes dieser Art war das berühmte „Schauspielerinnen-Cafe“„ wo die größte polnische Bühnenkünstlerin, Mieczyslawa Cwiklinska, Zigaretten verkaufend„ um die Tische ging. Auch Georg Leszczynski, einer der bedeutendsten Sdiauspieler Polens, war in diesem Kaffeehaus in einer ähnlichen Rolle tätig.

Das Beispiel des „Schauspielerinnen-Cafe“ wurde von vielen nachgeahmt, und so war es den deutschen Direktoren der offiziellen Theater sdiwer, einen, wenn auch nur dritt-oder viertrangigen Schauspieler zu finden, der bereit gewesen wäre, für sie zu spielen. Als einziger aus der Reihe der namhafteren Künstler bot sich ihnen Igo Sym an, der bekannte Filmschauspieler. Die polnische Untergrundbewegung sprach gegen ihn den Boykott aus. Als aber Igo Sym begann, seinen ehemaligen Kollegen mit der Anzeige zu drohen und ihnen schreckliche Folgen ausmalte, wenn sie bei ihrer Weigerung blieben, wurde er von der Feme zum Tode verurteilt und in seiner Warschauer Wohnung erschossen. Der Mann, der ihn tötete, entfloh. Nach dieser Tat hatten die polnischen Schauspieler Schreckliches zu erdulden. Als Repressalie für den Tod Igo Syms wurden eine Anzahl bekannter Künstler verhaftet und in das KZ-Lager Oswiecim gebracht. Stefan J a r a c z, wohl der bedeutendste Schauspieler Polens, war unter ihnen. Schwer lungenkrank kehrt er aus Oswiecim zurück und starb kurz nachher, ohne -wieder im befreiten Polen gespielt zu haben.

Nach dem Tode Igo Syms ließen die Deutschen an allen Straßenecken Bilder und Besdireibungen der vermeintlichen Täter anbringen. Es waren dies der Schauspieler Sobieslaw Damiecki und seine Frau, die Schauspielerin Irena Gorski. Doch suchte man vergeblich: beiden gelang es, zu entfliehen, und sie blieben bis zur Befreiung in einem kleinen Dorf versteckt. Jetzt befinden sich ihre Namen wieder auf dem ihnen zustehenden Platz: auf den polnischen Theaterplakaten.

Infolge der massenhaften Deportationen von Schauspielern sank ihre Zahl beträchtlich, kein Wunder also, daß es jetzt manchmal' nicht leicht ist, eine passende Rollenbesetzung zu finden. Aber auch der Mangel entsprechender Theaterräume und der notwendigen Requisiten — das meiste ist ja in den letzten Jahren zugrunde gegangen — macht das Theaterspielen nicht selten zu einem sehr schwierigen Problem.

Als bei ihrem Rückzug aus Polen die deutschen .Okkupanten die sdiönsten Theater, gebäude niederbrannten oder sprengten, geschah dies nicht etwa im Verlaufe von Kampfhandlungen. Es war vielmehr ein bewußter Versuch, jedes Aufleben polnischer Theaterkultur für die Zukunft zu zerstören. In Warschau allein wurden so zwanzig Theater vernichtet, nicht eines blieb übrig. Und doch fand schon im Jänner 1945, also ein Jahr später, die Eröffnungsfeier des Staatstheaters in einem Gebäude statt, das noch ein knappes Jahr vorher ein Trümmerhaufen gewesen war.

Im Laufe, der Winterspielzeit 1946/47 spielte Warschau, die am meisten zerstörte Stadt Polens, in sieben Theatern, wovon sich drei in der Vorstadt Praga befinden.

Gleich wie anderswo, hat auch in Polen die Wiederaufrichtung des Theaters etwas Improvisiertes, vom Zufall Abhängiges an sich. Um also mehr Ordnung und Sinn in die Auswahl der Stücke zu bringen, hat das Ministerium für Kultur und Kunst, das auch über eine Theatersektion verfügt, angeordnet, daß ein besonderer Rat ins Leben gerufen werde, dessen Aufgabe es sein wird, die entsprechenden Stücke auszuwählen. Dieser Theaterrat zählt zu seinen Mitgliedern die besten Theaterkenner Polens sowie die namhaftesten Direktoren, Schauspieler, Bühnenautg/en und Kritiker. ...Gegenwärtig^mfaßt das Repertoire polnische Lustspiele und dramatische Meisterwerke der polnischen Roman, tik, aber auch Stücke junger polnischer Nach-kriegsschriftsteller und einige bekannte Werke des Auslands.

Das Theater in Polen hat eine große Zukunft; denn es ist sich der Aufgabe bewußt, dem Volke zu dienen und wirklich volkstümlich zu sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung