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Schatzkammern der Identitäten

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Ein Land näherbringen sich und den anderen Bundesländern, dies gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Landesausstellungen.

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Ein Land näherbringen sich und den anderen Bundesländern, dies gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Landesausstellungen.

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Im Hoch- und Spätmittelalter entwickelte sich schließlich auch ein österreichisches, ein steirisches, ein tirolisches, ein kärntnerisches Landesbewußtsein", dies behauptete Ernst Bruckmüller 1994 in seinem Band „Osterreichbewußtsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis in den 90er Jahren".

Wie kann sich ein Bundesland darstellen? Gibt es sie tatsächlich: die Niederösterreicher, Burgenländer, Stei-rer, Kärntner, Oberösterreicher, Salzburger, Vorarlberger, Tiroler, Wiener? Oder sind sie alle einfach Österreicher?

Man könnte sich vorstellen, daß ähnliche Fragen Ende der fünfziger Jahre in Österreich gestellt worden sind. Man könnte sich auch vorstellen, daß aus ähnlichen Überlegungen sukzessive die Idee für Landesausstellungen hervorgegangen ist, die die Bewohner der einzelnen Bundesländer erkennen lassen sollen,was das Besondere ihres Bundeslandes ist.

Doch es gibt einen konkreten Anlaß, ein konkretes Bundesland und ei-, nen konkreten Menschen, der sich um das Identitätsbewußtsein seiner Mitbewohner angenommen hat. Dieser Mann, der für sein Bundesland Großes geleistet hat, hieß Hanns Koren, der ehemalige steirische Landes-

hauptmann, Erfinder des „Steiri-schen Herbstes" und der Landesausstellungen.

Als 1959 der Todestag von Erzherzog Johann Baptist von Österreich zum 100. Mal wiederkehrte, beschloß Hanns Koren, diesen Mann mit einer Großausstellung zu würdigen. Die Geschichte der österreichischen Landesausstellungen nahm damit ihren Anfang.

In seiner Eröffnungsrede „Das Erbe des Steiri-schen Prinzen" vom 11. Mai 1959 legte Hanns Koren genau dar, was eigentlich die Aufgaben einer Landesausstellung sein sollten: „Es ist ein historischer Anlaß, der uns hier zusammengeführt hat, aber der Sinn dieses Jahres ist in der Gegenwart begründet, und er weist in die Zukunft. ... Erzherzog Johann hat das Land aus seiner Lethargie erweckt, seine Lebenskraft wachgerufen, er hat das Land zu sich selbst gebracht."

Ein Land sich selbst und den anderen näher bringen, dies gehört wohl zu den wichtigsten Aufgaben einer Landesausstellung, ohne daß dabei ein regionales „mir san mir" ausgerufen wird.

Anton Pelinka behauptet, „Identitäten sind nicht festgeschrieben, sondern immer im Wandel. Identitäten sind keine Reichskleinodien, die in irgendeiner Schatzkammer besichtigt werden können." Betrachten wir aber die zahlreichen Landesausstellungen, könnten wir auch das Gegenteil annhe-men. So haben jene Personen, historische Daten, landschaftliche Besonderheiten, denen die einzelnen Ausstellungen gewidmet waren, zu dem beigetragen, worin sich die Identität eines Bundeslandes erkennen läßt. Dies spiegelt sich auch in den einzelnen Landesausstellungen wider.

„Die Landhäuser der Landeshauptstädte — heute noch Sitz der Landtage und Landesregierungen - wurden zum Symbol des Landesbewußtseins; Themen und Motive für ihre künstlerischen Gestaltung bezogen sich auf landesbezogene, identätsstif-tende Ereignisse und Mythen, auf die für die Landesmythologie wichtige

Persönlichkeiten oder auf landestypische landschaftliche Ausprägungen." (Breuss, Liebhart, Pribersky: Insznie-rungen, Wien 1995). So fällt auch den einzelnen Landesregierungen die Aufgabe zu, ihr Bundesland geziemend darzustellen. Daß dies auch Jahr für Jahr gelingt oder sehr schwierig ist, ist eine andere Geschichte. Dies kann an zwei Beispielen dargestellt werden.

Die Steiermark hat letztes Jahr mit ihrer Landesausstellung „Holzzeit" in St. Ruprecht/Murau das Bewußtsein der Steirer als Holzerzeuger angesprochen. Die Ergebnisse einer Umfrage nach der Herkunft der Besucher zeigte, daß fast die Hälfte aus der Steiermark kamen und rund 60 Prozent aus Wien.

Mit dieser Ausstellung sei es gelungen, allein durch den Bau der Holzbrücke in St. Ruprecht, ein bestimmtes Bewußtsein der Bewohner zu wecken. Solche Aspkete seien natürlich auch zukunftsweisend, so Alois Stadler vom Amt der steirischen Lan-desregierung.

„Unser Publikum rekrutiert sich in erster Linie aus Steirern. Denn die kulturell Interessierten sind eine verschwindende Gruppe." Trotzdem widmet sich diesjährige Landesausstellung wieder den Kulturgütern des Landes. So ist heuer die Schatzkammer in Mariazell generalsaniert worden. Mariazell habe damit eine ein-

zigartige, auf den neuesten Stand der Technik gebrachte Ausstellung der Votivgaben, die Bestand hat.

Ein Gegenbeispiel dazu ist Salzburg. Denn die Ausstellung „Salz" (1995) in Hallein ist von den Bewohnern dieser Region nicht in einem „steirischen Ausmaß" wahrgenommen worden. Sie soll auch bis auf weiteres die letzte Landesausstellung in Salzburg sein. Landesrat Otmar Raus dazu: „Wir haben gemeint, daß es an der Zeit ist, eine künstlerische Pause einzulegen. Wir meinten, daß es der Kultur und unserer Politik förderlicher wäre, vorübergehend die Landesausstellungen auszusetzen und die freigewordenen Mittel an die Kultur unmittelbar weiterzugeben und im Kulturbereich einzusetzen." Auffallend ist, daß in Salzburg die regional bestimmten Ausstellungen, wie „Wolf Dietrich von Raitenau" oder „Salz" von den Salzburgern nur wenig besucht worden sind.

Wie die Geschichte der Landesausstellungen in Zukunft aussehen wird, ob die Länder weitere Themen finden werden, ob sie auf diesem Weg ihre Gebäude renovieren werden. Und ob sie das Geld dafür aufbringen werden, darauf darf man gespannt sein. Geplant sind jedoch schon einige Ausstellungen. In der Steiermark und in Kärnten werden bereits jetzt schon Pläne für die Zeit nach der Jahrtausendwende geschmiedet.

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