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Schleichende Gefahr

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Der Prozeß gegen Kardinal Mindszenty hat in der ganzen Welt derartiges Aufsehen hervorgerufen, daß man auch in Prag der Ansicht war, daß sich die aufgeworfenen Wellen erst legen müssen, bevor man die nächsten Maßnahmen gegen die katholische Kirche ergreifen kann.

•Hält man jetzt in Prag die Zeit für reif? Es häufen sich die Nachrichten über ein Vorgehen gegen die Kirche: die Bestandaufnahme aller noch verbliebenen kirchlichen Vermögenswerte, die Eingliederung der katholischen Jugendorganisation in die .Staatsjugend, der Abbruch der durch eine entwürdigende Spionage gestörten Bischofskonferenz, die Durchsuchung des Veits- domes und der Jesuitenkirche nach Geheimsendern, die Einstellung selbst der bischöflichen Verordnungsblätter „infolge Papiermangels" und ihre Ersetzung durch ein

„Mitteilungsblatt für den katholischen Klerus“ durch das Ministerium für Schulwesen, Wissenschaften und Künste als der „kompetenten" Stelle.

„Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche" — so erklärte dieser Tage der katholische Pfarrer von St. Jakob in Prag, der Franziskanerpater Dr. Fiala, in einer über die tschechoslowakischen Sender übertragenen Rede — „wurde bisher auf dreierlei Art gelöst: entweder durch den Kampf zwischen beiden oder durch eine scharfe Trennung oder schließlich durch ein liberalistisches gleichgültiges Nebeneinanderleben. Der Staat dürfe aber" — so führte P. Fiala weiter aus — „religiösen Fragen keineswegs gleichgültig gegenüberstehen und habe auch bisher eine durchaus positive Haltung eingenommen, wobei er insbesondere an die Teilnahme von Regierungsmitglie-

dem bei der Inthronisation des Präger und Olmützer Erzbischofs und die Zeremonie am Grabe des hl. Wenzel nach der Wahl Gottwalds zum Staatspräsidenten erinnerte.“ An die Priester gewandt — so stellte P. Fiala sodann die Frage, warum „in dieser freundschaftlichen Zusammenarbeit" nicht fortgefahren werde. „D ie Gläubigen begreifen es nicht“ — so schloß er seine merkwürdige Rede — „warum es noch zu keiner Einigung kam und wer ein Interesse daran hat, sie zu verhindern.“ Das „Rude pravo“ macht sich zum Sprecher dieser Katholiken und fügt noch hinzu, daß die gleiche Frage auch der niedere Klerus an seine kirchlichen Oberen richte.

Wie man sich das neue Verhältnis zwischen Staat und Kirche vorstellt, zeigt vor allem das Schicksal der Caritas, deren Tätigkeit nach der vom Prager Sozialministerium vorgeschriebenen neuen Satzung im „volksdemokratischen Geiste“ zu erfolgen hat und in deren Zentralstelle die Staatsbehörden vertreten sein müssen, so daß also kaum mehr als ihr Name übrigblieb.

Auch auf dem Prager Friedenskongreß durfte — zumal ja gleichzeitig in Paris Minister Plojhar über die Friedensaufgabe der Kirche sprach — das Referat eines katholischen Geistlichen nicht fehlen, der das herzliche Einvernehmen zwischen Staat und Kirche beweisen sollte. Der Sprecher, ein P. Mira, erklärte, zwar nicht von seinen kirchlichen Vorgesetzten zu den Ausführungen ermächtigt zu sein, aber als katholischer Priester zweifellos „im Namen aller Katholiken“ zu sprechen, wenn er deren Wunsch Ausdruck verleiht, sich an der Aufbauarbeit der volksdemokratischen Republik zu beteiligen.

Es ist schwer, all diese Erscheinungen und Maßnahmen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: wenn kirchlich Exkommunizierte bei Wallfahrten oder im Ausland in ihrer Eigenschaft als katholische Priester Reden halten, in Amt und Würden befindliche Pfarrer und Ordensangehörige der Regierung loyales Verhalten gegenüber der Kirche bescheinigen, Kirchenblätter von Nichtkatholiken herausgegeben werden, auf der einen Seite .vorn Staate Kongrua an die. Seelsorger gezahlt, auf der anderen Seite Kirchenvermögen entzogen wird, die Kommunistische Partei und ihre Presse sich bemühen, ein korrektes Verhalten an den Tag zu legen, eine als christlich geltende Partei aber Ausgangspunkt kirchenfeindlicher Maßnahmen wird, so kann das einzige Ziel nur das sein, Unsicherheit und Verwirrung zu stiften, um unter ihrem Schutz den entscheidenden Schlag vorzubereiten.

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