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Keine Erleichterung

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Der Kroatische Kulturverein hat des öfteren die Zulassung des Kroatischen als Sprache des Anbringens bei Gerichten und Verwaltungsbehörden gemäß Art. 723 StV. 1955 verlangt, ist damit aber nicht durchgedrungen. Als Begründung für die Ablehnung wird eingewendet, daß ohnehin alle Burgenlandkroaten der deutschen Sprache mächtig seien. Das mag zutreffen, kann aber nichts daran ändern, daß der Staatsvertrag 1955 eben eine klare Anordnung trifft. Außerdem drückt sich der Mensch, den seltenen, meist nur in echten ethnischen Uberschneidungs-räumen oder in führenden Familien (Hochadel) vorkommenden Fall ech ter Mehrsprachigkeit2* ausgenommen, in der Muttersprache ungleich genauer und richtiger aus als in einer fremden Sprache. Nur in den mehrheitlich kroatischen Gemeinden des Burgenlandes wird die kroatische Sprache bei mündlichem Anbringen zugelassen.

Im Staatsvertrag von 1955 wird auch hinsichtlich der Aufschriften auf Ortstafeln usw. in den kroatischen Minderheitsgebieten des Burgenlandes die Berücksichtigung des Kroatischen bestimmt. Diese Vorschrift ist bisher nicht durchgeführt worden. Die Fachautoren wie Ermacoro25 vertreten die Meinung, daß es keinen rechtlich organisierten antrags- oder beschwerdeberechtigten Rechtsträger gebe, der die Ausführung dieser Bestimmung verlangen und durchsetzen könne. Dem ist beizupflichten. Dennoch müßte man aber die Durchführung gerade dieser Bestimmung verlangen. Staaten mit weitaus geringerem Prozentsatz ethnischer Minderheiten in den betreffenden Gemeinden (oft noch unter zehn Prozent) kennen die doppelsprachige Ortstafel. (Neben der Staatssprache zum Beispiel in Italienisch in istrischen Küstenorten, in Friesisch in Leeuwarden und Umgebung, in Slowenisch in Ortsteilen von Triest und anderen Gemeinden der Provinz Triest, in Magyarisch in Nordostslowenien usw.) Für das Burgenland fehlt es vorerst allerdings an einer in rechtsverbindlicher Form ergangenen Toponomastik. Ein vom Landesarchiv in Eisenstadt 1954 zusammengestelltes deutsch-kroatisch-magyarisches Ortsnamenverzeichnis ist bezüglich der Kroatendörfer nicht ganz verläßlich, da darin zum Beispiel Krottendorf mit 2ab-nice — Krötendorf (von 4aba — Kröte, Frosch) übersetzt ist, obwohl der Name verballhornt Kroatendorf bedeutet26.

Altes Idiom in neuer Welt

Im Gegensatz zu der von Friedrich Robak vertretenen Auffassung hat das Burgenlandkroatentum eine reiche Volkskultur. Die Burgenlandkroaten wenden sich auch heftig gegen die Behauptung27, daß ihre Sprache nicht geeignet sei, Errungenschaften und Erfindungen der heutigen technischen Welt mit eigenen Benennungen zu versehen. (Sie können dabei übrigens auf das heutige Hochslowenische und in Jugoslawien in amtlicher Geltung stehende Serbokroatische verweisen, Sprachen, in denen heute zweifellos alles ausgedrückt werden kann, was zur modernen Zivilisation gehört, die dazu aber vor hundert Jahren noch nicht genügend fortentwickelt gewesen wären.)

Allerdings ist das Kroatisch der Burgenländer, obwohl Schriftsprache, verschieden vom Kroatischen in Jugoslawien. Zwar waren alle drei kroatischen Sprachgruppen ursprünglich an der Besiedlung beteiligt (Stokawer, Cakawer, Kajkawer), doch ist die Sprache etwas archaisch geblieben, mit vorwiegend cakavi-schen Elementen. Den Vorwurf, daß das burgenländische Kroatisch der modernen Industriegesellschaft und ihrer Begriffswelt nicht genüge, hat der bedeutende Erforscher des burgenländischen Kroatischen Alexander Issatschenko2* im Vorwort zu der Kroatenliedersammlung „Vidovinka“ bereits widerlegt. Der gewisse Archaismus dürfte dadurch gefördert werden, daß kaum kulturelle Kontakte zum heute kommunistisch geführten Jugoslawien (SR Kroatien) bestehen und auch an der Universität Zagreb ebenso wie an der kroatischen Akademie der Wissenschaften in Zagreb den Burgenlandkroaten jedenfalls publizistisch und forschungsmäßig kaum ein Augenmerk zugewendet wird. Man könnte dies vielleicht politisch-weltanschaulich erklären (die Burgenlandkroaten sind alles eher als eine „progressive“ Minderheit), doch fehlt auch in gleicher Weise eine Behandlung des Burgenlandkroatentums bei den wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen des in Buenos Aires zentrierten sehr starken Exilkroaten-tums.

Die Burgenlandkroaten haben als Hauptorganisation derzeit den Kroatischen Kulturverein (Hrvatsko kul-turno druStvo u Gradisöu), von welchem allerdings ein Teil der Burgenlandkroaten, vor allem die Bürgermeister der Kroatengemeinden mit SPÖ-Mehrheit behaupten2“, er habe keine Legitimation, für die Kroaten zu sprechen, die in Wirklichkeit nichts sehnlicher wünschten als möglichst bald im deutschen Sprachvolk aufzugehen. Offenbar handelt es sich um ein ähnliches Phänomen wie vor 1918 bei der Magyarisierung slowakischer Schichten in Oberungarn („schwebendes Volkstum“, „freiwillige Umvolkung“)30. Da man aber Lage und Ansprüche einer nationalen Minderheit nicht nach der Meinung und den politisch-kulturellen Zielen jener Minderheitsangehörigen beurteilen kann, die ihr nicht mehr angehören oder angehören wollen, wird man füglich nur auf das volksbewußte Kroatentum abzustellen haben. Dieses lebt außer im (zahlenmäßig freilich mit 6000 Mitgliedern eher schwachen) Kulturverein vor allem im Akademikernachwuchs mit seinem in Wien domizüierten „Hrvatski Akademski Klub“ (Kroatischer Akademikerklub, HAK), der übrigens engen Kontakt mit dem Kärntner „Klub slowenischer Studenten“ (Wien) unterhält und auch eine Hochschülerschaftszeitschrift, „Glas“, herausgibt.

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