Der Eiserne Vorhang  - © Foto: APA / Robert Jaeger

Miklos Nemeth: „Russland leistete keinen Widerstand“

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Der frühere ungarischer Premier erinnert sich an die Ereignisse von 1989, das Durchschneiden das Stacheldrahtes und leere Staatskassen.

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Der frühere ungarischer Premier erinnert sich an die Ereignisse von 1989, das Durchschneiden das Stacheldrahtes und leere Staatskassen.

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"Es gab tatsächlich finanzielle Gründe, denn der marode Zaun hätte erneuert werden müssen. Doch ebenso sah ich es als völlig überholt an, den Eisernen Vorhang am Ende des 20. Jahrhunderts weiter bestehen zu lassen." So erinnert sich der frühere ungarische Premier Miklos Nemeth im Gespräch an die Ereignisse vor 30 Jahren.

Zu den Hintergründen des Abbaus der Grenzsperre zwischen Ungarn und Österreich gehörte also vor allem eine leere Staatskasse. Noch dazu hatten sich die beiden Länder um die Austragung der Weltausstellung 1995 beworben, erinnerte der heute 71-Jährige. Der Stacheldrahtzaun hätte dem Image der -letztlich nicht realisierten -Ausstellung enorm geschadet.

Mit grünem Licht aus der Zentrale der kommunistischen Partei in Budapest wurde die 350 km lange Grenzsperre zu Österreich zum Souvenir. Doch es war nicht der sowjetische Staats-und Parteichef Michail Gorbatschow, der als erster ausländischer Politiker von dem Plan erfuhr. "Ich habe den damaligen österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ, Anm.) als ersten über den Abbau der Grenzanlage informiert." Bei seinem späteren Besuch in Moskau erfuhr auch Gorbatschow vom Ende des Eisernen Vorhangs. "Er hat das zur Kenntnis genommen und erklärt, das ist meine Verantwortung und beruhigt, dass sich die blutigen Ereignisse von 1956 (sowjetische Truppen marschierten in Ungarn ein und schlugen den Volksaufstand nieder, Anm.) nicht wiederholen würden. Wir haben uns die Hände geschüttelt."

Auch ging Gorbatschow auf das Drängen von Nemeth ein, einen Teil der in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen abzuziehen. "Kurz darauf gab es eine kleine Meldung in der ungarischen Presse über den Abzug einer sowjetischen Einheit aus Ungarn." Zugleich sollten die Hardliner in der Tschechoslowakei, der bereits informierte Vranitzky, die Generäle der in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen sowie die Agenten des sowjetischen Geheimdienstes KGB erkennen, was geschieht -und ob man sich auf Gorbatschow verlassen kann. Es habe von Moskau jedoch keine Protestnote gegeben, der "heiße Draht" sei stumm geblieben.

Der Zaun muss weg

Nemeth entschied nach seiner Rückkehr aus Moskau Ende März, den Beginn des Abbaus des Grenzzaunes einzuleiten und einige Kilometer Zaun abbauen zu lassen. Protest der Genossen in Budapest, dass es dafür keinen Regierungsbeschluss gebe, wischte er vom Tisch. Die ab Mitte April intensiv geführte Aktion sollte zeigen, wie Moskau reagiert. Da es keine Reaktion gab, wurde der nächste Schritt eingeleitet, erinnerte der Ex-Premier.

Am 2. Mai wurde auf einer internationalen Pressekonferenz offiziell der Abbau der Grenzanlage angekündigt, wobei jedoch bereits über die Hälfte des Zaunes verschwunden war. Diese Pressekonferenz bezeichnete Nemeth als den zweiten großen Test, über den die westlichen Medien berichteten. "Das war bereits eine Nachricht in Europa, und eine sehr wichtige Botschaft für die Bürger der DDR, die sich auf den Sommerurlaub in Ungarn vorbereiteten."

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