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Aus Tonen werden Farben

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Die materialistische Gesellschaft als ein Rad, das sich immer nur im Kreis dreht, die Farben wechselt und eine Frage zuläßt: „Wo ist Anfang, wo ist Schluß?” meinte der komponierende Dichter-Maler Wassily Kandinsky über sein Stück „Violett”. Zur improvisierten Musik nach Fragmenten Kandinskys wandert ein roter Punkt in die Mitte der Bühne, auf einem blauen Fleck erscheint ein roter Stern, ein grünes Oval durchwandert das Feld, weiße Fäden strecken sich aus den Enden langsam der Mitte entgegen. Die Farben sind die Protagonisten, Violett der Hauptdarsteller. Bilder entstehen, lösen sich wieder auf, projiziert vor den Augen der Zuschauer. Obwohl schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden, konnte man vor kurzem in der Technischen Universität Wien die Uraufführung seiner Farboper „Violett” erleben, die dem Jahrhundert ein Maß an Innovation vorgab.

Eines der Bilder, die Wolfram Unger - frühverstorbener niederösterreichischer Komponist iri „Peinture celebre” op. 13 1979 vertont hat, ist Kandinskys „Compositi-on en Bleu”. Blau klingt für Unger in seiner 1979 geschriebenen Komposition pathetisch und in oktavie-renden Öktavenklängen. Das Stück davor, „Die Vogelwolke” von Kandinskys Bauhaus-Kollegen Lyonel

Feininger, bewegt sich „geschwinde, wallend” wiederum in Quarten. Un-gers Klaviermusik vermittelt eine Einheit über denkbar unterschiedliche Malstile: von Salvador Dali bis Edvard Münch, von Hieronymus Bosch bis Pieter Breughel.

Kandinskys Kunst der bewegten Bilder hat eine Fortsetzung in der Arbeit der jungen Wienerin Victoria Coeln gefunden. Sie ist Opernball-besuchern von ihrer Projektionsarbeit gemeinsam mit ihrem Lehrer Gunther Schneider-Siemssen bekannt. Für Coeln ist die Musik die Dramaturgie für ihre von Dias projizierte Glasmalerei, ähnlich dem „Son et lumiere” bei berühmten Bauwerken.

Für das Wiener Motus-Quartett -mit einem Repertoire von Jimi Hen-drix bis Bob Dylan - hat Victoria Coeln abstrakte Bilder und wandernde Herzchen an die Wand des Konzerthauses geworfen. „Bei klassischer Musik machen Bilder Spannung sichtbar, bei Popmusik sind sie Dekoration”, sagt Coeln. Es ist ein Schritt auf das Publikum zu, ein Erlebnis für alle Sinne, das beide Künste intensiver macht und doch der Phantasie freien Baum läßt. Von den bewegten Bildern zur Videokunst war es für Coeln nicht weit: sie stattet Videos mit Falco und für Do-lezal/Rossacher aus.

Schalls in jene des Lichts wandeln, hören die Musik oft hundertmal. Zur aufkommenden Stimmung erscheinen dann Farben, abseits einer strengen Farbenkreislehre, wie sie etwa der Komponist Josef Mathias Hauer aufstellte. Die Technik der Musikmalerei reicht von Öl und Aquarellen bis zur Glasmalerei. Arik Brauer hat die respektlos-charmante Mozart-Annäherung Timna Brauers —. zwischen Jazz-Spielerei und hörbarer Liebe zur Klassik - mit den bekannt träumerisch-phantasievollen Bildern garniert.

Eva Fiatscher, die in einer liebevollen Kinderproduktion von Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung” mitwirkte, malt ihre Aquarelle mit Kohlerändern für Erwachsene. Mussorgskys Musik wird zur gelb-grünen Gedankenwelt der Malerin, aus der sie wiederum Motive für die Leinwand auswählt. „Ich erzähle nicht alles und ich erzähle anderes”, sagt Eva Fiatscher. Bilder sind Kommunikation mit Hörern und Sehern, sind wie bei Coeln das Produkt einer Trance.

„Musik und Bild sind durch das Unterbewußtsein verbunden, was vom Thema entfernen, es aber auch bereichern kann”, sagt die Künstlerin Moje Menhardt, die in der Burg Weitenegg in Niederösterreich ausstellt. Auch bei ihr gibt es keine konkrete Entsprechung von Farbe und Tonart - wie etwa Alexander Skraj -bin es fühlte -, sondern das immer neue Erlebnis der Verbindung zweier Künste. Menhardt läßt sich bei ihren Tanzzeichnungen von den Bhythmen der Musik beeinflussen, sie hat Flamenco und japanischen Buto-Tanz gemalt und sogar einen Bilderzyklus zu Hanns Eislers Filmmusik „14 Arten, den Begen zu beschreiben” in Wien und Tokio präsentiert.

Moje Menhardt kannte den Bilderzyklus nicht, der Mussorgskys Klavierstücken zugrundelag. Menhardt malte in ihrer Promenade das schwerfällige Gehen der Besucher, in bläulichen Eierschalen die rotgelben Küken. Der Wiener Komponist Michael Hennig fühlte sich inspiriert, neuerlich Musik zu schreiben. „Darin hat jeder einzelne Bildtitel sein musikalisches Thema, das in verschiedenen Kombinationen wiederholt wird, so wie die Blicke des Ausstellungsbesuchers von einem Bild zum andern wandern mögen”, sagt Hennig. „Es hängt von den Besuchern ab, wie sie reagieren”, meint der Komponist und wünscht sich die Kette wieder von einem Maler fortgesetzt.

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