6751164-1967_28_15.jpg
Digital In Arbeit

Avantgarde in den Donauländern

Werbung
Werbung
Werbung

Das Ensemble „die reihe“ informierte im Museum des 20. Jahrhunderts ein engagiertes Publikum mit sechs Erstaufführungen über Tendenzen der Avantgarde in Österreichs Nachbarländern an der Donau. Man konnte feststellen, daß Österreich selbst, durch den in Wien lebenden Bulgaren Bojidar Dimov und den aus Burgas am Schwarzen Meer gebürtigen Anesthis Logothe-tis vertreten, unbedingt den Löwenanteil am Erfolg dieses Konzertes für sich verbuchen konnte.

Dimov versucht sich mit seinen „Incantationes II“ (1967) vom bisher für ihn verbindlichen Strukturdenken Anton von Weberns zu befreien Und es gelingt ihm mit diesem spannungsgeladenen Werk höchst überzeugend: Drei Schichten, eine rein instrumentale und zwei in verschiedenen Graden durch Lautsprecher verfremdete, werden zueinander in Beziehung gesetzt, überlappen einander, werden miteinander konfrontiert: Eine nach geradezu byzantinisch anmutenden Regeln geführte Singstimme, die von der Sopranistin Emiko Iyiama intonationssicher realisiert und in ihren differenzierten Artikulationsmöglichkeiten voll ausgeschöpft wurde, zertrümmert systematisch einen Spruch Salomons und ein lateinisches Zitat. Dabei verwendet Dimov geradezu opernhafte Akzente, die sich in ausladenden Kantilenen ausbreiten und dann wieder in Diminuendi und Seufzer zerfallen.

Logothetis' drei Piecen „Integration“, „Kooptation“ und „Kulmination“, mit viel Aktion aufgeladene Werke, die nach musikalischen Graphikblättern gespielt werden, gefielen durch die Vielfalt klanglicher Kombinationsmöglichkeiten, die übrigens bei jeder Interpretation in neuen Varianten aufgefächert werden können.

Die übrigen vier Werke des Abends schienen mir teilweise nicht gerade anregend, teilweise nicht einmal aufführenswert: Milko Kele-mens „Entrances“ (1966) bedienen sich zur formalen Verdichtung und rückläufig einsetzenden Auflösung optischer Effekte: des Kommens und Gehens der Musiker, etwa in der Art wie Adorno die Auflösung in Haydns „Abschieds“-Symphonie gedeutet hat. Kelemen läßt sich übrigens trotz strenger Strukturen an Musikalität mangeln. Rudolf Komo-rus' „Süße Königin“ für Melodika, Klavier und große Trommel manifestiert sich in ein paar schwebenden Tönen und Geräuschen. Branimir Sacac' „Structure I“ (1965) für Karnmerorohester will nicht mehr sein als Klangstudie und reiht Farbwerte zwischen Pianissimo und Mezzoforte aneinander. (Es wäre interessanter gewesen, die ganze phonoplastische Komposition, zu der die „Structure“ später verarbeitet wurde, zu erleben.) György Kurtägs „8 Klavierstücke“ zeigen viele Einflüsse der Folklore wie seiner französischen Lehrer, muten aber in ihrem fragmentarischen, improvisierten Charakter wie kleinere und größere Klecksogramme an.

Der Prager Jazzkeller „Viola“ gastierte im Nachtstudio im Theater an der Wien. Beispiele neuer tschechischer Lyrik, darunter äotolas ironisches Poem „Wie man Hamlet spielt“, Bonfas „Schwarzer Orpheus“ und Stolbas „I'll remember Garay“, wurden bewußt altmodisch gespielten Jaziztaipravisationen nach Oscar Peterson, Duke Ellington, Henderson, Charlie Parker gegenübergestellt. Interessant wirkten vor allem direkte Kombinationen und Konfrontationen von Sprache und Musik innerhalb einzelner Stücke wie etwa in DiviS' amüsanten Gedankensplittern „Wem gehört der Jazz?“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung