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Concerto, Figuren, Fantasien

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Das von Alfred Uhl für die Weittournee der Wiener Symphoniker geschriebene Orchesterstück „Con-certo a bullo“ erklang zum erstenmal am 9. Oktober in New York und wurde jetzt im zweiten Konzert des Symphonikerzyklus im Großen Musikvereinsaal unter Wolfgang Sawallisch in Wien erstaufgeführt. Es hat nichts mit dem Typus der rauschhaften „La valse“ von Ravel gemein, sondern ist eher eine elegante Eulenspiegelei für Ballett und großes Orchester. Wie Alfred Uhls frühe Komposition „Kleines Konzert“ scheint auch sein vorläufig

letztes Werk im Duktus und in der Orchesterbehandlung ein wenig vom Strawinsky der mittleren Periode beeinflußt. („Doch sag' ich nicht, daß dies ein Fehler sei!“) In' ihrer Durchsichtigkeit und Klarheit kann diese Partitur, die zu lesen ein Vergnügen ist, als meisterhaft bezeichnet werden. Nicht ungefährlich ist die kaleidoskopische Anlage des 20-Minuten-Stückes, wodurch der Eindruck des Kurzatmig-Fragmentarischen entsteht — wogegen der Komponist doch etwas Geistvoll-Beschwingtes schreiben wollte. Aber auch dies ist ihm in einzelnen Teilen bestens gelungen.

In Sekundenschnelle änderte sich die Athmosphäre, als die schlanke, rothaarige Polin Wanda Wilko-mirska das Podium betrat und die ersten Töne von Karol Szyma-nowskis 2. Konzert für Violine und Orchester erklangen. Diese leidenschaftliche — und mit Leidenschaft wiedergegebene — Musik mit ihrem schwermütigen Pathos, ihren glühenden und irisierenden Farben nimmt den Hörer mit magischer Gewalt in Besitz. Von Folklore, für die Szymanowski sich in der Zeit, als er dieses Konzert schrieb (1923), interessiert haben soll, ist nicht viel zu spüren, dagegen um so mehr von seinem slawischen Temperament, das in der französischen Schule des Impressioniismus erst recht zu den ihm gemäßen Ausdrucksmitteln gefunden hat — und von einem hypersensiblen Naturell, dessen Äußerungen ein aristokratischer Kunstgeschmack kontrolliert. Der Solopart dieses Konzerts ist vielleicht der interessanteste und ergiebigste der neueren Literatur, und Wanda Wilkomirska erkannte jede ihr gebotene Möglichkeit, damit nicht nur zu brillieren, sondern auch zu faszinieren. — Den zweiten Teil des Programms bildete die 2. Symphonie von Brahms.

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In dem nur sehr spärlich bevölkerten Großen Konzerthaussaal fand ein Konzert des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters unter der Leitung von Kurt Hopf statt. Es begann mit drei insgesamt etwa

20 Minuten dauernden Orchesterstücken von Gerhard Wimberger, in denen der talentierte Komponist fast ausschließlich mit kleinsten Intervallschritten arbeitet (Sekunden und kleinen Terzen) und zahlreiche unterhaltsame Effekte erzielt, nicht zuletzt dank einer aparten Instrumentierung mit viel Schlagzeuggeklapper und -geklingel. Am meisten gefallen diese „Figuren und Fantamen“, wenn sie flott und tänzerisch bewegt werden. Wimberger sollte sich nicht davor fürchten, gerade diese Seite seines Talents zu pflegen.

Gottfried von Einems „Nachtstück“ op. 29 aus dem Jahr 1960 ist ein dramatisches Nocturno, dessen brucknerisch-breit ausgesungene Streicherkantilene • wiederholt kvo harten „ScWcksalsschlägeia;“ unterbrochen wird. Ein ansprechendes und emotionell wirksames Stück, das zu Recht viel Beifall erhielt.

Hanns Jelinek erweist sich in seiner etwa zwölf Minuten dauernden Fantasia für Klarinette, Klavier und Orchester op. 18 aus dem Jahr 1952 als der — obwohl an Jahren älteste — weitaus „modernste“ Komponist in dieser Reihe. Das vierteilige, sehr konzis gearbeitete Werk endet und schließt mit einer ergreifenden Trauermusik, die durch den Tod Arnold Schönbergs inspiriert worden sein mag.

Ernst Vogel, Jahrgang 1926, wagte den Versuch, die Großform der Symphonie neu zu beleben, indem er den vier traditionellen Sätzen Themen und Motive zugrunde legt, die zwar aus einer Zwölftonreihe gewonnen sind, aber doch eher den Charakter von, wenn auch meist kurzen, Melodien haben. Man hört dieser gutgemachten Musik mit Interesse zu, ohne eigentlich von ihr gefesselt zu

sein. Denn die Gabe, sich mitzuteilen, ist auf höchster Ebene nur wenigen beschieden.

Für seine Bemühungen um vier lebende österreichische Komponisten verdienen Kurt Rapf und das Tonkünstlerorchester uneingeschränkte Anerkennung — gerade auch deshalb, weil ihre Aufgabe nicht immer sehr dankbar war.

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