6665385-1960_30_15.jpg
Digital In Arbeit

Fels und Festspiel

Werbung
Werbung
Werbung

Den Auftakt des Spiels am Fels gab Erzbischof Johann Ernst Thun im 17. Jahrhundert, als er Arkaden aus einem aufgelassenen Steinbruch in den Felsen schlagen ließ, um seinem Hof einen Zuschauerraum mit drei Galerien für die Abhaltung von Pferderennen und Tierhatzen zu bieten. Das Abscheren dieser Wand des Mönchsbergfelsens geschah schon, als für den Dombau durch Erzbischof Wolf Dietrich das Konglomeratgestein, Nagelfluh genannt, aus ihm gewonnen wurde.

Dann kam die „Skarpierung“ beim Neutor. Ursprünglich wollte man den Berg von oben herab durchschneiden; aus verschiedenen Gründen kam das Werk ins Stocken, und erst zur Mitte des 18. Jahrhunderts wählte man statt des Durchschlages von oben einen Stollen. Es entstand das heutige Neutor oder Siegmundstor. Erzbischof Siegmund nahm am 15. November 1767 die feierliche Einweihung vor. Wir bewundern heute die auf beiden Seiten gebildeten, großartigen und dramatischen Portale, die zusammen mit der Umgebung einmalige Felskulissen bilden. Auf dem Portal der Südseite prangt die gewichtige Inschrift „Te saxa loquuntur“.

Der schönste Zeuge für die Vorliebe dieser Zeit für das romantische Felsgebilde ist wohl das damals eingerichtete, .Steinerne Theater“ im Park von Hellbrunn. Es wurde aus einer Atiswaschung der Salzach durch einige Nachhilfe zu einer Bühne gestaltet, wo schon in den ersten Jahren des Bestandes Hellbrunns Aufführungen stattgefunden haben, so daß es als eines der ältesten Freilichttheater angesprochen werden kann. 1617 fand hier die erste italienische Oper auf deutschem Boden statt.

Die Leidenschaft für die Pferde führte zur Errichtung des Erzbischöflichen Hofmarstalles und seiner beiden Pferdeschwemmen auf dem Kapitel- und Siegmundsplatz. Der große Saal der Winterreitschule zeigt als Stirnwand eine in den Felsen gehauene Treppe, die zu einer Tribüne hinaufführt. — Auch die von den Erzbischöfen mächtig ausgebauten Bastionen als architektonische Substruktionen der alten Festung sind Wahrzeichen jener felsfreudigen Zeit.

Mit der Wahl der alten Hofstallungen als Ort des Mysterienspiels durch Max Reinhardt im Jahre 1927 nahm eine neue Epoche des Spieles am Felsen ihren Anfang, Die „Fauststadt“ entstand unter Verwendung der Arkaden in der Felsenreitschule. Der vier Jahre später über Initiative Franz Rehrls erfolgte Neubau der Bühne des alten Hauses ließ den Block des Bühnenhauses folgerichtig dem Mönchsbergfelsen angleichen. Der Toscanini-Hof und die Mönchsbergstiege tragen in ihrer Architektur felsartigen Charakter.

Der Beschluß im Jahre 1956, das neue Festspielhaus neben das alte zu setzen und damit den einmaligen 150 Meter langen Festspielbezirk zu schaffen, setzt nun den Schlußstein zum Spiel am Fels. Abermals wird, um der Bühne Raum zu geben, dem Felsen eine Segmentschale von 15 Meter Tiefe abgerungen. Der 35 Meter hohe und 80 Meter breite Bühnenturm lehnt sich an den Mönchsbergfelsen. Seine Gliederung folgt den Kräftelinien seiner Struktur; seine Oberfläche gleicht der Oberfläche der Felsabscherung. Der 60 Meter weit ausladende Bogen des Rundhorizontes empfängt aus tiefer Felskaverne das Licht für seine transparente Bildprojektion.

Die Eingangshalle hinter den fünf neuen Toren der alten Hofstallfassade mit den mächtigen Pfeilerreihen weist auf die Nähe des Konglomeratfelsens hin, die die Foyers und den Zuschauerraum zu tragen haben. Ihre architektonische Gliederung ist den alten Gewölbepfeilern des erhalten gebliebenen Pferdestalles, heute Pausensaal, angeglichen. Kräftige Wände aus Nagelfluh tragen die beiden monumentalen Treppen, die zum Foyer führen. Aus ihnen quellen Brünnlein und vor ihnen stehen die beiden Marmorfiguren aus Carraramarmor des Bildhauers Wander Bertoni. Sie symbolisieren Musik und Tragödie — also Spiel am Fels.

Der Stadtkörper von Salzburg, wie er sich heute unseren entzückten Augen darbietet, ist für sich ein Spiel am Fels. Der Entwicklung in historischer Zeit geht ein geologischer Prozeß voraus, den Prof. Dr. Alois Kieslinger in seinem Gutachten schildert, das er als Vorbereitung für den schwierigen Bau am Mönchsbergfelsen zu erstatten hatte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung