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Österreichische Komponisten der Gegenwart

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Unter den zeitgenössischen heimischen Komponisten ist Raimund Weißensteiner einer der stärksten und eigenartigsten. Durchaus eigen-artig ist Weißensteiner als schöpferische Persönlichkeit und in seinen Ausdrucksmitteln, seiner Tonsprache. In dem von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstalteten Kompositions- konzert konnte man die Entwicklung Weißensteiners während der letzten zehn Jahre ziemlich genau verfolgen. Noch finden sich impressionistische Stilelemente, opem- artige, ja selbst musikdramatische Stellen in der 1938 vertonten Hymne .,0 nun Liebe Du...“ des Anselm von Canterbury (ins Deutsche übertragen von Romano Guardini). Der romantische Charakter und die ariose Führung der Singstimme erleichtern das- Verständnis dieser Komposition beträchtlich und machen sie sogleich einem größeren Hörerkreis zugänglich. Freilich gelingt hier, wie so pft, Volkstümlichkeit auf Kosten des absoluten künstlerischen Wertes und stilistischer Geschlossenheit. (Kammersängerin Hilde Konetz.ni war die ideale Interpretin des schönen, sangbaren Soloparts.)

Die preisgekrönte 5. Symphonie, die vorletzte von Weißensteiner, ist 1942 entstanden. Es handelt sich um ein großangelegtes viersätziges Werk, welches — mit dem Adagio und Scherzo in der Mitte — auch gehaltlich die klassische Symphonieform zu erfüllen bestrebt ist. In diesem Werk zeigt sich der erfreuliche Reichtum von Weißensteiners Palette. Jeder der vier Sätze hat prägnante thematische Einfälle, die zum Teil auch wirkungsvoll verarbeitet werden. Anmutig-Spielerisches, reich figurierte Holzbläser wechseln mit hellen Fanfaren und prunkvollen, an Bruckner erinnernden Blechbläserchören. Der Mittelteil des Scherzo fantastic© ist ein kleines Meisterstück impressionistischer Schreibweise. Was manchmal störend und verkrampft wirkt, ist eine kompositionstechnische Eigenheit Weißensteiners: häufig dort abzubrechen, wo der Hörer einen Höhepunkt erwartet oder eine Bewegung in Fluß zu kommen scheint. Im ganzen: ein symphonisches Werk, dem wir aus der österreichischen Gegenwartsproduktion nach Franz Schmidt nicht viel an die Seite zu stellen haben. —

Die letzte Entwicklung des Komponisten spiegelt sich in den 16 Variationen für großes Orchester über einen gregorianischen Choral (1947). Es ist die Entwicklung zu einem sehr strengen, sehr vergeistigten Stil. Die einzelnen Klangelemente haben kaiim mehr Eigenleben: an die Stelle der flimmernden impressionistischen Farben sind eintönige Flächen getreten, kaum mehr wagt sich Musikantisch-Spielerisches hervor, alles schöne Beiwerk bleibt weg. So entsteht ein Werk von herber Schönheit, aber auch von großer Strenge, das sich auch dem verständnisvollen und dissonanzengewohnten Zuhörer vielleicht nicht aufs erstemal erschließt. Daß es trotzdem einen starken Eindruck hinterläßt, ist vor allem darauf zurückzuführen, daß man eine starke und ehrliche Künstlerpersönlichkeit dahinter zu spüren glaubt. Alle Anerkennung verdienen die Wiener Symphoniker, die sich mit der ungewohnten und eigenwilligen Dirigiertechnik des Komponisten sehr gut abgefunden hatten und dessen Intentionen nach besten Kräften zu verwirklichen strebten.

Liegt bei Weißensteiner, trotz seines intensiven Ausdruckswillens, der Schwerpunkt auf dem Absolut-Musikalischen, so gestaltet der um zehn Jahre jüngere Wilhelm Hübner (geb. 1915) expressive Tongemälde. „Fantasie viennoise", „Klage um Pan“ und „Ultima battagüa“ sind die Titel der Orchesterwerke, die Herbert Häfner mit den Wiener Symphonikern im Konzerthaus aufführte. In der Technik ist Hübner stark vom Impressionismus und dessen Meisterwerken beeinflußt: das erste Stück ist ohne Rävels „La valse" und das zweite ohne Debussys „Prelude ä l’apres-midi d’un faune" kaum vorstellbar. Das dritte weist eine gewisse Ähnlichkeit mit manchen Sätzen von Schostakowitsch auf (doch mag diese durch das gemeinsame Thema von „Ultima battaglia“ und der „Leningrader Symphonie“ gegeben sein). Die „Fantasie viennoise“ beinhaltet mehr, als der Titel vermuten läßt: es ist ein düsteres Gemälde des Wiens von heute, in der Grundstimmung mit den Bildern Kubins oder mancher Expressionisten vergleichbar. Sehr zarte Töne findet Hübner am Schluß seiner Pan- Phantasie, deren schöne Wirkung allerdings durch einen turbulenten Schluß gemindert wird. Den stärksten Eindruck machte „Die letzte Schlacht“ mit ihren Marschrhythmen und Choralthemen. — Oft muß freilich der instrumentale Einfall den melodischen ersetzen, und fast fürchtet man, der junge Komponist könne bereits zuviel. Zweifellos vermöchte Hübner sehr wirkungsvolle Film- und Bühnenmusiken zu schreiben. (Das soll keine Herabsetzung, sondern nur ein Hinweis auf die besondere Art seiner Begabung und seines Talents sein.)

Von S. C. Eckhardt-Gramattč spielte Erna Heiller in ihrem Klavierabend zwei Kaprizen (1937) und das Allegro aus der Suite Nr. 2 (1923). Das letztere Stück ist eine sehr wirkungsvolle, motorische Spielmusik etwa im Stil der frühen Werke Hindemiths. Die beiden Phantasiestücke „Wohin" und „Meermuschel" sind in ihrer Art und Technik interessante Bereicherungen der zeitgenössischen Klavierliteratur. Beide beginnen als Klangimpressionen und werden zu imposanten Ausdrudks-

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