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Spuren im Sand
DIE STRASSEN DER SEIDE. Von Luco B o u 1 n o i s. Aus dem Französischen übertragen von Joachim A. Frank. Panl-Neff-Verlag, Wien, 1964. 23 Selten Text, 30 Illustrationen und Anhang (Literaturnachweis, Register, Zeittafeln). Preis 1S8 8.
Den Straßen der Seide, verschiedenen uralten Handelsstraßen von mehr als 11.000 Kilometer Länge, die den äußeren Osten — China — mit dem Mittelmeerraum seit mehr als 2000 Jahren verbinden, ist der Autor dieses einmaligen Buches nachgegangen. Griechen und Römer, Byzantiner und Araber sind den Verlockungen nach dem Besitz des kostbarsten Gewebes, das die kultivierte Menschheit kennt, erlegen und haben ihm, allen schier unüberwindlichen Schwierigkeiten zum Trotz, nachgejagt. Kein Preis war ihnen zu hoch, keine Entfernung zu groß, um den Stoff aus dem Reich der Serer, das Sericum — das serische Gewebe, das schon Plinius in seiner Historia Naturalis erwähnte —, zu erlangen.
Die kostbaren Lasten trafen nach monatelangen Transporten durch wasserlose Wüsten, von räuberischen Nomadenstämmen ständig bedroht, über Himalayapässe in schwindelnden, gottnahen Höhen auf den Rücken baktrischer Kamele im Westen ein. Von persischen und jüdischen Zwischenhändlern im Reich der Sassaniden beziehungsweise des Kuschan bereits in Gold aufgewogen und mit tausendfachem Profit weiterverkauft, wurden diese Stoffe von den Damen des Hofes und der Gesellschaft Roms, Athens oder Alexandriens sehnsüchtig erwartet. Jahrhunderte später richtete Theodora, die große Kaiserin von By-zanz, mit Hilfe gefangener syrischer Seidenarbeiter staatliche Seidenwebereien in den Frauengemächern des
kaiserlichen Palastes ein, nur um den Bedarf des Hofes und der hohen kirchlichen Würdenträger zu befriedigen und den Staatssäckel zu schonen.
Gesandtschaften von hüben und drüben, von Serica, dem Reich von To-ts'in (chinesisch für Rom) und Fu-lin (chinesisch für Byzanz), begleiteten in Abständen von Jahrhunderten diese kostbaren Transporte, nebenbei exotische Gastgeschenke, Artisten oder gelegentlich auch geistiges Gut austauschend. So fanden Begegnungen zwischen Buddhismus und Hinduismus mit intellektuellen Zirkeln in Rom und Alexandrien schon in der Spätantike statt; nestorianische Christen drangen im 8. Jahrhundert bis zum Hofe von Peking vor und genossen eine Generation lang Ansehen als Künder einer westlichen Philosophie, protegiert von den Angehörigen der kaiserlichen Familie.
Immer wieder bezieht sich der Autor auf authentische Berichte chinesischer, griechischer, römischer, byzantinischer und arabischer Quellen, die, im Wortlaut zitiert, aufschlußreiche Einblicke in das sich
nur auf sporadische Kontakte erstreckende Verhältnis des Reiches der Mitte mit dem Morgen-und Abendland gewähren. Doch gab es auf die Dauer keine geistigen Gemeinsamkeiten zwischen den Serern und den Europäern, die über den Austausch von Handelsprodukten hinausgingen; fremd und verständnislos standen sich diese „Antipoden“ gegenüber. Trotzdem aber sind begeisterte westliche Forscher unter unsäglichen Strapazen seit den Tagen Marco Polos diesen Seidenstraßen nachgegangen, haben verlassene und in Ruinen liegende Karawansereien, Handelsstädte oder buddhistische Klöster aus dem Wüstensand gehoben und Einblick in die Zeit ihrer oft kurzen Blüte vermittelt, die ihnen außerhalb der Chinesischen Großen Mauer und des „Jadetores“ beschieden war.
Jede Seite dieses Buches ist spannend, und man ist dankbar für den weltweiten Blick, mit dem der Autor die Zeitlosigkeit menschlichen Wirkens über eine so große Spanne von Zeit und Raum hinweg geschildert hat.
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