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Symposion für alte Musik in Krems

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Das Symposion von Krems hat in zehn Tagen, die allen Teilnehmern unvergeßlich bleiben werden, die Musik der Gotik und Frührenaissance in ein neues Licht gerückt. Im ehemals sakralen Raum der Mino-ritenkirche in Stein erklang Musik des 14., 15. und frühen 16. Jahrhunderts, die nicht einfach aufgeführt, sondern von jungen Menschen aus 14 Ländern unter der Leitung von Musikwissenschaftlern und praktischen Musikern aus vielen Teilen Europas erarbeitet wurde. Den Besuchern des Symposions erstand hier nicht nur eine neue Klangwelt — es wurden fast ausschließlich alte Instrumente oder ihre Kopien benützt —, sie konnten auch in den öffentlichen Ensembleübungen Einblick in die komplizierten aufführungspraktischen Probleme einer Musik gewinnen, die, richtig vorgetragen, den Menschen des 20. Jahrhunderts wie ein kühler Bergquell erfrischt. Neben diesen öffentlichen Ensembleübungen und Konzerten behandelten führende Fachleute Kernprobleme des für das Symposion gesetzten Zeitraums 1364 bis 1521, von Machaults „Messe de Nostre Dame“ bis zum Tode Josquins, im reizenden Saal des Rathauses von Stein, in dem auch eine Reihe von weltlichen Konzerten veranstaltet wurde.

Es ist schwer, der Überfülle des Gebotenen in wenigen Worten gerecht zu werden. Das Kernstück ist Vorträge bildete der'meisterhafte; fvoi'ikriätsff* klare Logikierfüllte Bericht! de6 Würzburger Ordi-naHus-Professor Dr. Georg Rier-ch-e-rt -Sfer HBt schwierige Hauptform der Periode, die isorhythmische Motette. Ihm standen ebenbürtig zur Seite der Züricher Ordinarius, Professor Dr. Kurt von Fischer, der über das italienische Trecento sprach, und Professor Dr. Hans Joachim Moser, Berlin, der über das deutsche Lied um 1500 berichtete. Dr. Andreas Ließ legte in einem lebendigen und an interessanten Einblicken reichen Vortrag die geistesgeschichtlichen und kulturellen Grundlagen des Zeitabschnitts, während Dr. Alfred K r i n g s vom Kölner Rundfunk mit faszinierenden Tonbandaufnahmen die erstaunlichen Leistungen der Capella Coloniensis auf dem Gebiete der Wiederbelebung alter Musik demonstrierte. Diese und andere Vorträge waren nicht trockene Berichte “an einen musikwissenschaftlichen Kongreß: sie lösten erfolgreich die ihnen gestellte Aufgabe, den Teilnehmern am Symposion zu helfen, die von ihnen und für sie aufgeführte Musik besser und tiefer zu verstehen.

Das Niveau der Aufführungen war erstaunlich hoch. Die jungen Menschen, meist Berufsmusiker, stürzten sich mit Feuereifer in die Arbeit der verschiedenen Ensembles, die meist gleichzeitig (örtlich getrennt) probten. Es ist unmöglich, auf Sie 19 musikalischen Veranstaltungen der zehn Tage hier einzugehen: Die beiden liturgisch eingesetzten Messen, Isaacs „Missa Carminum“, hervorragend wiedergegeben durch das Symposion-Ensemble unter Professor Josef M e r t i n im Hochamt der Kremser Piaristenkirche, und, in der gleichen Kirche, am Himmelfahrtstage, die Dufaysche Messe „L'homme arme“, gesungen vom Bonner Collegium Cantorum, belegten die erschütternde Wirkung dieser alten Musik in sakralem Rahmen. In der Minoritenkirche kamen die beiden großen isorhythmischen Motetten, Dufays „Nuper rosarum“, zur Einweihung des Florentiner Doms komponiert, und Obrechts gewaltige „Factor orbis“, zu unübertrefflichen Aufführungen unter Professor Konrad Lechner (Darmstadt). Ebenso . eindrucksvoll war die Gegenüberstellung der Josquinschen Motette „Benedicta est caelorum regina“-in einer A-cappella-Auf führung durch den Chor der amerikanischen Oberlinr St: 'enten aus Salzburg mit einer im Symposion erarbeiteten .vokal-instrumentalen Fassung, die, deut-i|c^.,z!ei^te,, 'daß Sie“ ausgezeichnete 'amerikanische Wiedergäbe doch nur .einen Schatten der wahren Gr^^^^WIfte^Aitteln konnte: Unter den Kamtnermusikäbenden im Rathaussaal stand an erster Stelle ein reizvolles Konzert des „Consort Tenta“ aus Salzburg, das nicht nur durch musikalisch hochstehende Wiedergaben erfreute, sondern auch durch die Beherrschung der verschiedensten seltenen alten Instrumente beeindruckte.

Das Symposion von Krems, dessen alle Erwartungen übertreffender Erfolg ihm bereits Permanenz gesichert zu haben scheint, muß als Kulturtat ersten Ranges von allen begrüßt werden, die um die Erhaltung primärer Werte bemüht sind. Der Bürgermeister der Stadt Krems, Dr. Franz Wilhelm, hatte bereits in seiner Begrüßungsansprache gezeigt, daß er sich der grundlegenden Bedeutung dieser einzigartigen Veranstaltung voll bewußt ist. Ihm gebührt mit Professor Josef M e r t i n, dem musikalischen Leiter, und Heinrich von Fürer-Haimendorf, dem Organisationsleiter, der Dank nicht nur Österreichs, sondern der aller Musikfreunde.

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