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Graz — Stadt der Begegnungen

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Mit einem kräftigen Akkord begann heuer nach den Sommermonaten die kulturelle Saison in Graz. Landeshauptmannstellvertreter Universitätsprofessor Koren, dessen unermüdlicher Initiative die Steiermark seit Jahren immer wieder neue Impulse auf dem Gebiet des geistigen und kulturellen Lebens verdankt, hat als Motor und Mentor der Kulturpolitik des Landes seinem Werk heuer neue Höhepunkte erkämpft. Die „Steirische Akademie“, nun zum viertenmal abgehalten, ist in ihrer Verbindung mit dem musischen Bereich zu einem Fest des Geistes und der Kunst geworden. Im Sinne ihres Leitgedankens „Steiermark — Land der Begegnungen“ und unter Besinnung auf die Tatsache, daß die eigentliche Lehrmeisterin des Landes — von seinen Anfängen bis heute — die Grenze gewesen und geblieben ist. getreu diesem Generalthema stellte sich die Steirische Akademie als Treffpunkt der romanischen und slawischen Welt dar. als überaus fruchtbare Begegnung von Künstlern und Wissenschaftern aus West, Süd und Ost auf Grazer Boden.

Die Vorträge der Akademie im Schloß Eggenberg, deren erster Teil sich mit der medizinischen Forschung der letzten hundert Jahre befaßte, waren koordiniert mit der in der „Furche“ bereits besprochenen Dreiländerausstellung „Trigon 63“, die einen beachtlichen Schritt zur Konfrontierung breiter Schichten mit Werken der Gegenwartskunst darstellt, und mit der gleichzeitig von der Grazer Musikakademie veranstalteten „Internationalen Woche der Chormusik“ Dementsprechend waren auch die beiden letzten Tage der Vortragsreihe einem Symposion „Zeitgeist und Kunst“ gewidmet. Die gegenwärtige Situation des Kunstschaffens in ihren Ländern skizzierten nacheinander Professor Apollonio (Venedig). Professor Bihalij- Merin (Belgrad) und Dr. Schmeller (Wien). Der Höhepunkt des Symposions war Professor Otto Mauer zu danken, der mit seiner faszinierenden Rhetorik die These vertrat, es könne, solange der Mensch Kunst schafft, einen Verlust der Mitte nicht geben, da der Mensch selbst Mitte der göttlichen Schöpfung ist.

Der nachbarlichen Begegnung auf dem Feld der Kunst diente auch die „Inte r- nationale Woche der Chormusik" als e'ste repräsentative Veranstaltung der neugegründeten Grazer Musikakademie. In fruchtbarer Zusammenarbeit fanden sich hervorragende Ensembles aus Frankreich, Jugoslawien, Ungarn und Österreich. Neben den „Ateliers“, in denen die Ensembles mit den Teilnehmern der Veranstaltung alte und neue Chorwerke erarbeiteten, mögen einige Konzerte, die auch die musikinteressierte Öffentlichkeit erreichten, besonders hervorgehoben werden: der unbestrittene Höhepunkt dieser „Woche“ war das Auftreten des Budapester Madrigalensembles unter Ferenc Szėkeres (das übrigens nur auf persönliche Intervention Zoltän Kodälys in letzter Minute die Ausreisegenehmigung erhalten hatte). Hier lernte man einen Chor von verblüffender Perfektion und außerordentlicher Singkultur kennen, der trotz seiner Spezialisierung auf das Renaissance-Madrigal auch über ein großes Repertoire zeitgenössischer Literatur verfügt. Neben diesem Meisterchor fiel das Pariser „Ensemble Vocal Stephane Caillat“ ein wenig ab, bestach aber dennoch durch den Charme, mit dem die jungen Sänger französische Chansons aus dem 16. Jahrhundert und einige spritzige Volksliedsätze von Poulenc präsentierten. Österreich war vertreten durch den ausgezeichneten, klanggewaltigen Madrigalchor Klagenfurt (unter G. Mittergradnegger), den Wiener Kammerchor unter Gillesberger (mit der Kleinen Messe a capella über Zwölftonmodelle von Heiller) und den Grazer A k a d e m i e k a m m e r c h or (Leiter: K. E. Hoffmann), der sich im Schlußkonzert hervortat. Die Begeisterung des Publikums für den jugoslawischen Chor „J o z a V 1 a h o v i c“ aus Zagreb (Dirigent Emil Cossetto) war groß; sie galt allerdings mehr der hinreißenden Vitalität, mit der diese jungen Leute ihre Volkslieder und -tanze vorführten, als der künstlerischen Qualität bei der Darbietung alter und neuer Chorliteratur. Dennoch verdankt man der Begegnung mit diesem jugendfrischen Ensemble die Bekanntschaft mit den großartig klingenden, von elementarem Jubel erfüllten „Geistlichen Versen über die Psalmen König Davids“ von Marko Tajčevič, die gestaltet sind aus dem Geist der Ostkirche. — Es ist selbstverständlich. daß diese wenigen Hinweise nur Andeutungen der Fülle des Gebotenen und der Anregungen sein können, die die „Steirische Akademie 1963“ zu bieten hatte.

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