Der Leuchtturm - © Universal

Klaustrophobie pur

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„Der Leuchtturm“: Robert Eggers’ Mischung aus Horrorfilm und Psychothriller folgt einem außergewöhnlichen visuellen Konzept. Und lebt auch von Robert Pattinson und Willem Dafoe.

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„Der Leuchtturm“: Robert Eggers’ Mischung aus Horrorfilm und Psychothriller folgt einem außergewöhnlichen visuellen Konzept. Und lebt auch von Robert Pattinson und Willem Dafoe.

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Eine karge Insel inmitten rauer See, kaum mehr als ein größerer Felsen. Eine beengte Unterkunft, die keine Privatsphäre zulässt. Ein Leuchtturm, dessen Maschinerie ohne Unterbrechung am Laufen gehalten werden muss. Ein Nebelhorn, dessen gnadenloser Ton durch Mark und Bein geht, immer und immer wieder. Ansonsten wird das ständige Tosen der Brandung und das Pfeifen des Windes nur vom aggressiven Gekreische der Seemöwen unterbrochen. An diesem bedrückenden und nichts Gutes verheißenden Ort ist Robert Eggers’ neuer, mythologisch aufgeladener Film „Der Leuchtturm“ angesiedelt, eine atemberaubende Mischung aus Horrorfilm und Psychothriller für ein Arthaus-Publikum. Bereits sein Debütfilm „The Witch“ war ein Horrorstreifen, der sich den genretypischen Konventionen verweigerte.

Neuengland, Ende des 19. Jahrhunderts: Zwei Leuchtturmwärter treten ihren Dienst an, der eine ein alter Haudegen, der in diesem Job schon viele Jahre auf seinen Buckel gebracht hat, der andere ein junger Neuling, der diese harte Arbeit zum ersten Mal auf sich nimmt. Von Anfang an herrschen Spannungen zwischen den beiden Männern. Der Junge will sich an die Vorschriften halten und verweigert – zunächst – den von seinem Vorgesetzten angebotenen Schnaps. Der Alte schikaniert seinen Untergebenen, lässt ihn nur die niederen Arbeiten tun und verweigert ihm den Zugang zu jenem Raum an der Spitze des Turmes, in dem sich das Leuchtfeuer befindet. Der Alte wirkt von Anfang an leicht verrückt, treibt rätselhafte Dinge im Lampenhaus.

Bald wird auch der Junge zunehmend von Wahnvorstellungen verfolgt. Er erlebt eine abstoßend-erotische Begegnung mit einer Meerjungfrau, fischt den Kopf eines Toten aus dem Meer, versinkt in einem Gewühl von schleimigem Meeresgetier. Als die beiden Leuchtturmwärter die unerträgliche Situation mit immer hemmungsloserem Alkoholkonsum zu bewältigen versuchen und schließlich auch noch ein Sturm die ersehnte Ablöse verhindert, verschwindet die Grenze zwischen Phantasie und Realität
endgültig – und es kommt zur Eskalation.

Darstellerische Tour de Force

Die beiden Männer werden von zwei großen Charakterdarstellern unterschiedlicher Generationen mit beeindruckender Intensität verkörpert. Willem Dafoe, von „Die letzte Versuchung Christi“ bis „Nymphomaniac“ seit jeher auf extreme Rollen abonniert, spielt Thomas Wade, den knorrigen alten Leuchtturmwärter, einen ehemaligen Seebären, der zu langen sermonartigen Monologen neigt. Robert Pattinson, dem „Twilight“-Teenieschwarm-Image längst entwachsen und mit „Cosmopolis“ oder „Good Time“ ins ernste Fach gewechselt, gibt den eher wortkargen Herumtreiber Ephraim Winslow, der ein dunkles Geheimnis mit sich trägt. Für beide Schauspieler waren die Dreharbeiten sichtlich eine Tour de Force. In einer Szene stehen ihre Figuren inmitten peitschenden Regens wartend am Ufer der tobenden See – keine Studioaufnahme, kein CGI-Effekt, sondern das reale Wetter vor Ort.

Wie schon in „The Witch“ legt Eggers großes Augenmerk auf Authentizität. In der Originalversion sprechen die Darsteller einen Akzent wie er zur damaligen Zeit an jenem Ort gesprochen wurde. Schuhwerk, Kleidung und Barttracht der Protagonisten entsprechen bis ins kleinste Detail der abgebildeten Epoche. Manche Film-Stills könnte man allein deshalb für authentische Fotografien aus dem ausgehenden
19. Jahrhundert halten.

Objektive aus der Frühzeit des Films

Dazu kommt noch eine außergewöhnliche visuelle Sprache, die den Streifen abschnittsweise wie einen verschollenen Klassiker aus der Frühzeit des Tonfilms erscheinen lässt: „The Lighthouse“, so der Originaltitel, ist nicht nur in Schwarzweiß gedreht, sondern auch in einem an die Anfänge des Films erinnernden, beinahe quadratischen Bildformat von 1,19:1, das die klaustrophobische Atmosphäre weiter verstärkt. Kameramann Jarin Blaschke verwendete bei den Dreharbeiten historische Kameraobjektive, eines aus dem Jahr 1912, andere aus den 1930er Jahren. Spezielle Filter verleihen den Bildern einen Look, als wären sie mit orthochromatischem Film gedreht. Dabei handelt es sich um ein spezielles Filmmaterial, das bis Mitte der 1920er Jahre eingesetzt wurde. Die mit diesen Mitteln erzeugten Bilder des aufgewühlten Meeres oder des predigenden Thomas Wade sind von einzigartiger Ausdruckskraft.

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