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Aus dem Schweizer Musikleben

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Alte und neue Musik. Das Basler Kammerorchester unter Leitung von Paul Sacher, 1926 bis 1951. 379 Seiten. — Zehn Jahre Collegium musicum Zürich. Leitung Paul Sacher, 1941 bis 1951. 55. Seiten. — Beide: Atlantis-Verlag, Zürich

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Alte und neue Musik. Das Basler Kammerorchester unter Leitung von Paul Sacher, 1926 bis 1951. 379 Seiten. — Zehn Jahre Collegium musicum Zürich. Leitung Paul Sacher, 1941 bis 1951. 55. Seiten. — Beide: Atlantis-Verlag, Zürich

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Den Hauptteil des stattlichen Bandes, der über die ersten 25 Jahre des Basler K a m- merorchesters Rechenschaft gibt, bilden 327 abgedrucfctė Konzertprogramme, deren Lektüre allein schon anregend Und hocherfreulich ist. Insgesamt wurden 720 Werke von 181 Komponisten aufgeführt. Unter diesen sind 75 zeitgenössische, 100 aus der vorklassischen Zeit und nur 6 aus dem 19. Jahrhundert. In diesen Zahlen drückt sich deutlich das künstlerische Programm des Basler Kammerorchesters und seines Gründers und Leiters Paul Sacher aus. Hier wurde einmal ein wirkliches Gegengewicht gegen die klassischen Standardprogramme und da6 Starunwesen geschaffen. Hier wurde neue Musik nicht nur ur- aufgeführt, sondern durch Wiederholungen der Hauptwerke auch gepflegt. Hier wurde demonstriert, was man erreichen kahn, wenn man ernsthaft will — und wenn das Schicksal jene Kontinuität schenkt, die für jede ersprießliche Arbeit unentbehrlich ist. — Wer nach Schätzen alter Musik gräbt, wird in diesen Programmen zahlreiche Hinweise Und Anregungen finden. Wer sich für neue Musik interessiert, kommt in dem Buch — durch Briefe, Bilder und authentische Werkeinführungen — mit ihren wichtigsten Vertretern in fast persönlichen Kontakt.

Uber die Leistung Paul Sachėrs — die von seiner Vaterstadt vor kurzem durch Verleihung des Ehrendoktorats gewürdigt wurde — und die des Kammerorchesters sowie des Kammerchors kann nur das Beste gesagt werden. Das rühmlichste Kapitel aber, das in keiner künftigen Musikgeschichte fehlen wird, sind die zahlreichen Kompositionsaufträge und die Widmungen wichtiger zeitgenössischer Werke. Nennen wir nur einige der bedeutendsten: Bartöks Musik für Saiteninstrumente, das Divertimento und die Klavier-Schlagwerk-Sonate (IGNM, Basel), Strawinskys Concerto für Streicher, Honeggers „Deliciae Basilienses“ und „Totentanz", Martins „Cornef nach Rilke, ferner Kompositionen von Casella, Krenek, Ibert und Werke jüngerer Schweizer Komponisten, von denen Willy Burghard und Conrad Beck an der Spitze stehen. — Unvergessen sei Paul Sacher auch die Hilfe und Freundschaft, die jene Künstler von ihm erfahren haben, die plötzlich ihrVaterland verlassen und in die Emigration gehen mußten, wie der Tscheche Bohuslav Martinu, der Rumäne Dinu Lipatti und Bėla B a r 16 k. Ihn schildert Paul Sacher in einem Nachruf genau so, wie wir ihn in dem Buch auf einem Photo — als Ga6t auf dem Schönenberg — sehen: „Wer Bartok begegnete, im Gedanken an die rhythmische Urkraft seiner Werke, war von der schmalen, zarten Gestalt überrascht. Er hatte die äußere Erscheinung eines feinnervigen Gelehrten. Der von fanatischem Willen und unbarmherziger Strenge besessene und von einem glühenden Herzen getriebene Mensch wirkte unnahbar und war von zurückhaltender Höflichkeit. Sein Wesen atmete Licht und Helligkeit. Seine Augen leuchteten mit herrlichem Feuer. In den Strahlen seines forschenden Blickes hatte nidits Unwahres Bestand ..

Von einzelnen Beiträgen seien neben dem von Willi Schuh geschriebenen Kapitel »Kompositionsaufträge“ noch erwähnt: der „Versuch einer Geschichte der Zwölftonmusik" von Willi Reich sowie zwei Studien von Ina Lohr über Programmgestaltung und über die „Kunst der Fuge“ von J. S. Bach.

Kürzer, aber kaum weniger ruhmreich und erfreulich ist die Geschichte des Collegium m u s i c u m Zürich, das ebenfalls von Dr. Paul Sacher geleitet wfrd und seine Programme nach den gleichen Gesichtspunkten zusammenstellt wie das Basler Kammerorchester. Ihm sind zwei so bekannte Werke wie die »Metamorphosen“ von Richard Strauß und die „Petite Symphonie concertante“ von Frank Martin gewidmet, eines der erfolgreichsten Stücke der neuen Musik. Von insgesamt 141 aufgeführten Werken stammen 72 von vorklassischen Meistern, 60 von Zeitgenossen und 9 aus dem 19. Jahrhundert. Gewiß, mag man einwenden, spielt bei dieser Auswahl auch die Besetzung eine Rolle. Aber es scheint uns doch eher so zu sein, daß hier, im Basler und Zürcher Kammerorchester, zwei Instrumente geschaffen wurden, die dem Geist der neuen Musik und jener gewiß nicht zufälligen Neigung und Affinität der Gegenwart zur vorklassischen Musik genau entsprechen.

Der Verlag hat die beiden Bücher, ihrem Inhalt entsprechend, modern und gediegen ausgestattet. Alles in allem: Schweizer Kultur in ihrer ansprechendsten Form.

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