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Aus der Flut der Übersetzungen

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Gern erinnert man sich an die amüsanten Bücher der Engländerin Georgette Beyer, so an „Die drei Ehen der .Grand Sophy'“ oder an den „Schweigsamen Sentieman“. Ihr bevorzugtes Jagdgebiet ist die britische Grand Society aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Sie limmt die schrulligen Typen aufs Korn, iber ihrer Munition der Bosheit folgt der leitende Balsam der Menschlichkeit. Der loman „Lord Ajax“ bildet die aufregende jeschichte der Hochadelsfamilie des Lords Darracott. In das etwas verkommene Lesen des Schlosses tritt zu allgemeinem Entsetzen plötzlich die Figur des Allein-:rben. Man hatte seine Existenz verheim-icht, da er der Mesalliance mit einer Jürgerlichen entstammte. Höchst unter-ultsam ist es, wie er sich der fürs erste eindselig gegen ihn verbündeten Familie nit seinem schlichten, bescheidenen Wesen :infügt und wie sich dann sogar heraus-itellt, daß er von seinem bürgerlichen jroßvater ein ungeheures Vermögen ge-:rbt hat, reichlich genug, um den verlot-erten Besitz der Darracott wieder hoch-:ubringen. Nach heiteren Zwischenfällen viri er Gatte der Enkelin des Lords, und lebenbei gelingt es ihm, in einer uns illerdings etwas läppisch anmutenden Ver-vechslungskomödie, einen seiner adeligen fettern vor dem Verdacht des Schmuggeins :u retten. Eine eigene Welt neben der lochgeborenen bildet die korrekte Diener-ichaft und ihre besondere „Hierarchie in ler Gesindestube“. Von alldem plaudert jeorgette Heyer mit Grazie, aber doch 'iel zu weitschweifig. Die Übersetzerin «müht sich, nicht immer mit Erfolg, um lie Schwierigkeiten, das Englische in das )u und Sie des Deutschen zu übertragen nd den Dialekt wiederzugeben. Es ist ein ietter Unterhaltungsroman.

IIG RIVER, BIG MAN. Menschen am ;roßen Strom. Roman von Thomas. W. i) u n c a n. Aus dem Amerikanischen, chweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich. 171 Seiten. Preis 19.50 sfr.

Unter einem „big man“, einem großen Aann also, der am „big river“, am großen ;luß, am Mississippi, haust und arbeitet, vürie man sich eigentlich etwas anderes wsiellen als die Leute, von denen uns )uncan wortreich berichtet. Die Männer md gar die Frauen sind mit wenigen Auslahmen angestochene Erscheinungen. Dies ileibt in erträglichen Grenzen, bis Espe-anza, nachdem sie bereits eine Anzahl dänner auf hinterlistigste Art umgedacht hat, ihr fünfjähriges Söhnchen, mit lern sich ihr zweiter Gatte glänzend verteilt, aus einer Art Eifersucht ermordet, lier wandelt sich das geduldige Zuwarten les Lesers in Ekel. Die eben erwähnte nännertolle Esperanza ist die Tochter eines lach Amerika verschlagenen preußischen jeneralssohnes und einer Mutter mit panisch-indianischem Blut. Solange noch lie Sklaverei im Süden gilt, ist es das leste Geschäft, mit einer Negerin viele Cinder in die Welt zu setzen, die man lann gut verkaufen kann. Eine Darstellung ler Sitten und Unsitten, der Geschäfte und jaunereien vor hundert und himdertvierzig ahren in den Südstaaten der USA könnte man einiger naöen ais in einem noman-wälzer, der an einer epischen Fehlkonstruktion erkrankt ist: Sobald man sich mit einer Figur halbwegs abgefunden hat, läßt der Autor sie fallen und holt eine neue Gestalt hervor, die er uns in ermüdenden Rückblendungen von der Geburt an vorführt. Der Roman wird, ehe er zu Ende geht, ein biederes Lesebuch der amerikanischen Geschichte. Es entsteht „ein mächtiges, geordnetes Amerika, unbehindert von den Fesseln des Geldes“. Zum Schluß findet der europäische Leser zwischen den Zeilen auch noch ein Fragezeichen: Wozu tischt man uns derartige Übersetzungen auf?

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