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Aus der Kleinen BUcherei

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Die kleinen Geschenkbücher des Albert Längen-Georg Müller-Verlages, München, unterscheiden sich von Serien ähnlicher Art durch die bibliophile Ausstattung und die ein wenig eklektische Auswahl, die vom zu Unrecht vergessenen Klassischen bis zum Ausgefallenen reicht. Prosa überwiegt durchaus den Vers. Aber die beiden vorliegenden Gedichtbändchen wiegen, jedes auf seine Art, manches auf. Albrecht Goes legt eine Auswahl aus dem Lebenswerk seines Landsmannes, des schwäbischen Bauerndichters Christian Wagner, vor. Ueber diesen hatte vor 40 Jahren Hermann Hesse, anläßlich von Christian Wagners 80. Geburtstag, geschrieben: „Daß so wenige wissen, wer er ist, das ist nicht seine, sondern unsere Schande. Ich will ihm einen Gruß zurufen und ihm, als einem von denen, denen ich Glauben, denen ich Leben, denen ich Wissen verdanke, zuwinken und zulächeln, als einem Vater und Bruder, als einem Lehrer und Freunde, als einem Greise, der mich Kindheit lehrte.“ Mit Recht tritt auch Goes warmherzig für seinen vergessenen Landsmann ein, denn Wagners „Sonntagsgesänge“ haben in der Tat einen unvergeßlichen Eigenton und erinnern im Gedanklichen an Goethe, im Sprachlichen an Claudius und Mörike. Die in der kleinen Geschenkbücherei erschienene Auswahl trägt den Titel „Blühender Kirschbaum“ und umfaßt etwa 40 Gedichte. — Von ganz anderer Art ist Moritz Jahns „Unkepunz“. Dieses „deutsche Gesicht“ ist aus der Sippe der Morgensternschen Palma Kunkel und Dr. Korff. Nur ist Unkepunz gemütvoller, musikalischer, weniger intellektuell. Unkepunz' Reden haltend, philosophierend, der Selbstbetrachtung hingegeben, rebellierend, die Sphinx besuchend ... Seine Abenteuer sind etwa von dieser Art: „Unkepunz tritt eine Blume tot ... Unkepunz steht zweifelnd: War dies not? Unkepunz, der friert in sich hinein. Unkepunz, der mag nicht Schicksal sein. Unkepunz zieht Schuh und Strümpfe aus. Unkepunz will barfuß heim nach Haus. Unkepunz fühlt eines Domes Stich ... Unkepunz, der weinte bitterlich.“ — Für Freunde des Wanderns und des Paddeins sind die beiden bekannten Büchlein von Carl Oskar J a t h o, „Sterne über kleinen Flüssen“ und „Stromeinsamkeit und Menschenherz“, lyrisch-huiAristische Reiseberichte, neu aufgelegt. Jedes Bändchen hat etwa 80 Seiten und kostet 3.80 DM.

Die große Meldung. Roman. Von Evelyn W a u g h. Arche-Verlag, Zürich. 267 Seiten.

Wer englischen Humor kennenlernen will, der lese dieses Buch. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der auf dem Lande lebt und gelegentlich für Zeitungen schreibt und plötzlich als Reporter in ein fremdes Land, in einen fremden Erdteil gesandt wird, das am Beginn eines Bürgerkrieges steht. Durch Zufall entdeckt der junge Mann als einziger untr allen versammelten lournalisten die Hintergründe der kommenden Verschwörung und kabelt seine Entdeckung an seine Zeitung, die sie als Weltsensation bringt. Eine große Karriere steht dem jungen Mann bevor, doch er schlägt sie aus und geht lieber auf sein Landgut zurück, um dort die Natur zu bewundern, Forellen zu angeln und gelegentlich für eine Zeitung zu schreiben. Englisches Landleben, englisches Klubleben, englisches Zeitungswesen, englische Liebe zur Natur, zum Abenteuer, alles das findet der Leser. Und in jedem Wort noch dazu einen Funken ganz trockenen Humors. Aber genug des Lobes. Der Leser überzeuge sich selbst.

Jahr um Jahr. Roman. Von James H i 11 o n. Deutsch von Hans B. Wagenseil. Verlag Kurt Desch, Wien-München-Basel. 395 Seiten. Preis 88.20 S.

Hilton ist vor allem durch seinen Roman „Leb wohl, Mr. Chips“ bekanntgeworden. In dem vorliegenden Buch schildert er den Lebensweg eines englischen Diplomaten, Charles Anderson, seine lugendjahre, die Studienzeit, die erste Liebe und die verschiedenen Etappen seiner Laufbahn in der ersten Hälfte dieses lahrhunderts. Vom diplomatischen Leben und Milieu selbst wird eigentlich recht wenig erzählt, ei bleibt am Rande' der privaten Ereignisse. Das Geschehen der Vergangenheit wird in die Schilderung eines Abends, den Anderson mit seinem Sohn in Paris verbringt, als Rückblende eingebaut. Es ist ein typisch englisches Buch mit seiner Verhaltenheit und seinem feinen Humor, das lebensvolle Porträt eines kultivierten Diplomaten alter Schule, eines Gentleman, der zwar nicht sehr bedeutend ist, aber in seiner Selbstkritik durchaus sympathisch wirkt. Es fehlt auch nicht an der entsprechenden Kontrastfigur eines ganz anderen Diplomatentyps. Hilton erzählt oft recht breit, aber mit guter Beobachtung und nicht langweilig. Freilich, einen stärkeren Eindruck hinterläßt sein Roman nicht.

Glück und Geduld. Gedichte. Von Ernst Waldinger. Frederic Ungar PubJ. Co., New York 1952. 139 Seiten.

Dem Bande (dem dritten Lyrikbuch seit Kriegsschluß) ist ein Horaz-Zitat, unübersetzt, vorangestellt (man findet es in der 2. Epistel des 2. Buches der Briefe); frei übertragen: daß man „immer milder und besser wird, je näher dem Alter“. Läuterung erfahrenen Leides — erster Weltkrieg und zwei Verwundungen, Nachkrieg, Emigration 1938, unzureichende Würdigung (nur der Julius-Reich-Preis — wo bleibt jener der Stadt Wien?), Warnung, Wahrheit, Gestän'dnis — auch wo diese nicht allen Ohren lieblich klingen werden— haben Waldinger als Künstler und Mensch, metaphysisch begriffen, „besser“ gemacht — im Gegensatz zu vielen schreibenden Zeitgenossen gleichen Geschicks. Und milder. Vielleicht ein Herbsttag (Waldinger ist siebenundfünfzig) — aber einer voll Sonne, ätherischem Glanz und Durchsichtigkeit. Weite und Nähe verbindend. Gegenüber den „Kühlen Bauernstuben“ und „Musik für diese Zeit“ (1946) das Landschaftliche schmäler, aber kaum weniger bedeutsam; das Ideenmäßige breiter, gehöhter. Alles aus den Dingen quellend, nichts mit Vorsatz in sie hineingetragen. Von besonderem Reiz jene Gedichte, die zu Gegenbelichtungen führen: „Simmeringer Hauptstraße“, „Im Rhythmus eines New-Yorker Hochbahnzuges“, „Skizze eines Sommernachmittags in den Cätskills“, „Die Steineralpen in Kärnten“. Einige Druckversehen: „Sabbat“ mit verkehrten Schlußbuchstaben (S. 34), „Apell“ (S. 36), „Ornung“ (S. 57), „vornommen“ (S. 90); der „Traum eines Reservisten“ — volt ständig: österreichischen Reservisten — ist eia Tongemälde von C. M. Ziehrer, nicht von Kom-zak (S. 77).

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