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Ballett, Einakter und Räuber

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Merkwürdigerweise war Sergej Prokofieffs Ballett „Aschenbrödel“ in Österreich noch nie aufgeführt worden. Der Grazer Ballettmeister Fred Marten studierte es mit dem derzeit recht gut besetzten Grazer Corps ein, Opernchef Berisla Klobu^ar betreute selbst die österreichische Erstaufführung. Prokofieff hatte die Musik während des Krieges geschrieben; selbstverständlich ist „Aschenbrödel“ ein „engagiertes“ Märchen: es geht um das brave, werktätige Mädchen, das sich vor der bösen reichen Stiefmutter und den zanksüchtigen Schwestern auszeichnet und endlich auf den Platz erhoben wird, der ihm gebührt — ein didaktisches Tanzpoem sozusagen. Die Musik des dreiaktigen Balletts stellt eine Folge von in sich geschlossenen Tänzen dar, die aber da und dort durch Leitmotive über das reine Nummernballett hinausgehoben und zum geschlossenen Drama gestaltet wird. Stilistisch ist die Musik durchaus nicht einheitlich; Anklänge, ja Zitate, erinnern an die frühe und mittlere Schaffensperiode — nur daß die groteske Ironie hier liebenswürdiger, abgeklärter erscheint. Die Grazer Aufführung enttäuschte etwas: sie wußte Pantomime und reinen Tanz nicht organisch zu verbinden; sie hatte beachtliche Momente im einzelnen (Miranda de Maria gab als Gast das Aschenbrödel), blieb aber dem Gesamtwerk doch einiges schuldig.

Auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses sah man vier kurze österreichische Einakter von gestern: Schnitzlers geistreich-frivole Szene „Halbzwei“, Felix Saltens Separeestück „Schöne Seelen“, Molnärs kleines Duett zwischen der Ehefrau und der Geliebten „Die Hexe“ und schließlich das moralisch saubere, aber sehr schwache Stücklein „Am Ende“ der Ebner-Eschenbach; — lauter Szenen um Liebe und Ehe, alle recht passabel gespielt, wobei die erste — durch Dietlindt Haug und Alfred Pfeifer — soger den richtigen Wiener Kammerton hatte (Regie: Klaus Gmeiner).

Das Beste zuletzt: Rudolf Kautek, der kürzlich mit Ibsens „Volksfeind“ gute, aber nicht überragende Arbeit gezeigt hatte, inszenierte jüngst Schillers „Räuber“. Zum erstenmal seit Fritz Zechas Weggang sah man in Graz eine Inszenierung, die den denkwürdigen Leistungen dieses Künstlers nahekam. Kauteks Regie meidet das leere, rhetorische Feuer — aus einem Grundton fast kam-merspielhafter Sachlichkeit erwächst dort, wo es angebracht ist, ohne Krampf die echte Leidenschaft. Des jungen Schillers schwierige Gestalten werden so verständlich für das Publikum von heute. Freilich gelang nicht alles ohne Makel. Aber in Graz muß man derzeit froh sein, wenn wenigstens die obere Grenze des langjährigen Qualitätsdurchschnitts nicht zu weit unterschritten wird. Die Bühnengestaltung durch Joachim Streubel ist ein künstlerischer Wurf ersten Ranges. Drei Schauspieler bestimmen das Niveau dieser Aufführung: Harald Harth (Franz Moor), der junge Wolfgang Kraßnitzer (Karl) und Rudolf Buczolich (Roller).

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