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Carlone ein Sleirer?

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Ueber 600 Künstler und Kunsthandwerker nennt Dr. Rochus Kohlbach in seinem eben erschienenen Werke „Die Stifte Steiermark s“ als an ihnen tätig. Weit über die Grüne Mark hinaus verdient Interesse Kohlbachs archivalischer Nachweis, daß der Schöpfer der herrlichen Stiftskirche St. Florian und zahlreicher bedeutender Barockbauteo Oesterreichs und Bayerns der Steiermark entstammte. Wir entnehmen dem Buche:

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Ueber 600 Künstler und Kunsthandwerker nennt Dr. Rochus Kohlbach in seinem eben erschienenen Werke „Die Stifte Steiermark s“ als an ihnen tätig. Weit über die Grüne Mark hinaus verdient Interesse Kohlbachs archivalischer Nachweis, daß der Schöpfer der herrlichen Stiftskirche St. Florian und zahlreicher bedeutender Barockbauteo Oesterreichs und Bayerns der Steiermark entstammte. Wir entnehmen dem Buche:

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Am 15. Mai 1679 hielt das Stift Seckau mit seinem Baumeister Peter Franz Carlone für eine 18jährige Dienstleistung Abrechnung. Zwei Jahre zuvor hatte er — auf einem mächtigen dreifarbig gezeichneten Bauplan — einen langen Brief geschrieben an seine Söhne, die „Edlen Vesten auch Kunstreichen Herren Carlen Anthony und Johann Baptista Carloni, gebrueder, wohnhäfft in der Fürstlichen Residenzstadt P a s s a u“. Dort stuk-kierte Johann Baptista eben den Dom, während Carlantonio als Mitarbeiter des Vaters am Stifte Garsten tätig war. Peter Franz starb um 1680 in Garsten, Carolo Antonio am 1. Mai 1708 in Passau. „Ein gewester Pau-maister“ schreibt das Sterbebuch der Augustinerpfarrei St. Nikola, sonst leider kein Wort.

Am 19. September 1682 trat auch Carlantonio als Baumeister in den Dienst des Stiftes Seckau. Er verpflichtete sich im eigenhändig unterschriebenen Kontrakte, alle „Ge-pey, so bey hochernanndten Thumbstüfft vorkhumben sollten oder auffzurichten seint“ als Baumeister „zu versechen“ und zu diesem Zwecke mindest dreimal im Jahre dorthin zu kommen. Mindestens zwei Jahre versah er diese Stellung, wie seine eigene „Handtschrifft“ bezeugt Schon 1888 hatte der Admonter Stiftsarchivar P. Jacob Wichner regesten-mäßig eines Briefes Carlantonios Erwähnung getan, demzufolge er demnächst geschäftehalber nach Admont komme, und daraus den Schluß gezogen, daß dieser berühmte Architekt es war, der um 1683 die prachtvoll gelegene und prunkvoll ausgestattete Wallfahrtskirche Frauenberg zu bauen begann. Die Kirche liegt zwischen Seckau und Garsten, kein Zweifel also mehr an Wichners „Zu-schreibung“.

Zweimal also arbeitete der gefeierte Baumeister in seinem Heimatlande Steiermark. Heimatland? Er war doch, wie mit den Stiftsarchivaren von Garsten, Stift Florian, Passau usw. die Kunstgeschichte annahm, ein „Welschländer“. Dem Namen nach, den Ahnen nach! Lassen wir also etliche vergilbte Blätter des steiermärkischen Landesarchivs, Spezialarchiv Leoben, zu Worte kommen. Sie beweisen, daß er der Enkel P i e t r o Carlon ist.

Wichner bereits berichtet von ihm viererlei: „Meister Pete/' baute und wölbte 1605 bis 1612 die Kirche von Mautern; 1609 wollte „Peter Carlon, Maurer von Scaria am Corner See“ die Kaiserau bei Ädmont erkaufen, baute zu Göss einen neuen Konvent und gestaltete später das romanische Münster von Admont barock, heißt ummantelte ihre Pfeiler, überzog das Gewölbe mit Stichkappen und Gurten. Die Gösser Chronik vervollständigt: Ersteres geschah von 1611 bis 1614, es handelte sich um den Neubau von 29 Zellen. Daß es sich beiderseits um denselben Meister drehte, beweist auch mein in Admont ausgehobener Brief der Abtes: Das Gösserische Gcbäu ist nun vorüber, jetzt komme „unseres“ daran. Daß unser „Maurer“ auch 1614 das Wahrzeichen Leobens, den „Schwammerlturm“, aufführte, steht bereits im Dehio. Dazu nun aus den Ratsprotokollen etliche bedeutsame Ergänzungen:

Am 9. Jänner 1612 wollte sich Christof Dey Maurer in Leoben niederlassen, er erhielt zum Bescheid, es wolle sich Peter Carlon hier „niederrichten“. In der gleichen Sitzung hielt der Lcobner Stadtpfarrer für Meister Peter um die Stainerische Behausung an. „Ratslag“: Er möge sie besichtigen, wenn er weiter Lust und Liebe hat, möge er sein „Zeug“ zum Ausbau — und sein Weib mitbringen. Er brachte beides. Das Haus ward auf 750 fl geschätzt, der Pfarrer drückte für ihn den Kaufpreis um 25 fl herab. Der vorgelegte Taufschein war lateinisch geschrieben. Am 7. I. 1614 leistete Carlone den Bürgereid und erlegte 2 Dukaten Taxe. Am 26. September hatte er bereits das „Zwinger Thor gepös-sert“, begehrte nichts, hat es dem Bürgermeister verehrt, nur sein „Maurerkhnecht“ Hanns Platz möge ein Trinkgeld bekommen. Das 1609 einsetzende Taufbuch verrät: Frau Susanna schenkte dem Meister noch vier Kinder, darunter die Knaben Paul '1614 und Peter 1627. Das Sterbebuch beginnt erst 1666. Doch das Ratsprotokoll berichtet: Am 10. Dezember 1628 bitten Antonio und Francesco Carlone um 'eine vidimierte Abschrift des Testaments „Ires Vattern seel“. Damit ist der gewichtige Tatbestand vorweg genommen, daß der berühmte Franz Peter Carlone des Leöb-ner Bürgers Sohn, der noch illustrere Carolo Antonio sein Enkel ist.

Und dieses Testament,ist noch vorhanden. Am 3. Dezember hatte es Peter „in seiner zuegestandtnen Leibsschwachheit, doch guetes unverruckhten Verstands“ dem Pfarrer Maier, Stadtrichter Khlodwig und einem Gastgeber diktiert, am 5. Dezember schrieben sie es nieder — da war Meister Pietro bereits „seelig“. Seiner zweiten Frau Susanna hinterließ er zum Heiratsgut noch 50 fl Rheinisch, der „eitere Sohn“ Anthoni und die Tochter Catharina, wohl aus der ersten Ehe stammend, hatten ihr Erbteil bereits bekommen, die jüngeren Söhne „Hannss und Petter“ bekamen das „bewögliche vnd vnbewögliche Guet in disem Lande“, das Haus in Leoben, Franz aber verblieb, was sein Vater „in 11 a 1 i a vnd seinen Vatterlande an liegender vnd vahrender“ Habe besaß. Dort solle auch sein Bruder Paul auf Lebenszeit „aufenthal-tung vnd ersättige Nahrung haben“.

Der Erblasser sagte nicht „Geburtsort“ sondern „Vaterland“, vielleicht war also auch er nicht mehr in Scaria geboren, aber er besaß dort vom Vater her noch den angestammten Besitz. Dorthin zog nun wohl Francesco und suchte sich dort Arbeit und Verdienst? Mitnichten. Schon am 13. Juni 16,31 stellten er und Bruder Anton fest: „Die Gueter in Walschlandt“ belaufen sich nicht so hoch, wie es im Inventario geschrieben steht: Es sind „mehr Schuldten h i n d a n als herzue“. Und so blieb Francesco nicht „in Italia“, sondern in Steiermark, -bei seinem Bruder Anton in R ö t h e 1 s t e i n bei Frohnleiten und nahm Arbeit — in Leoben! Schon im Mai 1630 hatte ihm der ehrsame Magistrat den Bau eines Badhauses mit Vorhaus, Küche, Kammer, Gießhaus und großer Stube übertragen. Sold: 600 fl und das Baumaterial des alten „Padthauss“. Francesco, der zweifellos bei den Bauten seines Vaters mitgearbeitet hatte, muß schon eine kleine Berühmtheit gewesen sein: Am 9. November 1631 stellten einige Ratsherren fest, man habe ihn von Röthelstein herauf zum Bau „zitiert“, er sei aber nicht gekommen; ob des „Vngehorsamb“ müßte eine empfindliche „Straffe“ verhängt werden. Der Stadtrichter jedoch stellte begütigend fest: Der Baumeister komme ohnehin „eheist“ wieder herauf, man solle also ruhig seine Ankunft „abwartten“. Laut den Ratsprotokollen von Frohnleiten ward dort 1625 eine Sankt-Sebastian-Kapelle, die der Magistrat in Pestnot gelobt hatte, erbaut, Baumeister war ein Carlon, dessen Vorname leider nicht genannt wird? Vielleicht saß schon 1625 Francesco in Röthelstein, jedenfalls war dies noch 1650 der Fall, denn von dorther holte die Aebtissin von Göss den „Pau- und Maurmaister“ Peter Franz Carlon. Daß dies niemand anders war als Francesco, beweist sein Bestallungskontrakt für Seckau: In der Einleitung heißt er Peter, in der Unterschrift Franz, er hatte sich, wenn er nicht schon so getauft wurde, später nach damals häufigem Gebrauch den Taufnamen seines Vaters selbst zugelegt. Röthelstein, die einzige Poststation zwischen Graz und Bruck der Barockzeit, muß somit, bevor nicht andere Orte archivalisch mehr Anrecht darauf erweisen, der Ruhm zuerkannt werden, Wohnsitz dieses bedeutenden Mannes gewesen zu sein, somit auch der Geburtsort seines Sohnes Carl Antonio. Für gewiß läßt es sich leider, nicht erweisen, weil die Taufbücher Frohnleitens erst 1668 beginnen, ebenso blieben die von Passau und Graz aus in Scaria angestellten Forschungen nach seiner Taufeintragung erfolglos. Im Jesuitenkollegium von Leoben lebte und starb P. Peter Carlone, ein Bruder des Peter Franz. Die dortige Jesuitenkirche St. Xaver, jetzt Stadtpfarrkirche, ward von 1660 bis 1662 erbaut, höchstwahrscheuv lieh von Peter Franz. 1662 begann Carl Antonio seine Arbeiten an den Jesuitenkirchen zu Wien und Passau. Hatte er sich die ehrende Berufung durch Mitarbeit an der Jesuiten-1 kirche Leoben verdient?

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