6533044-1946_02_08.jpg
Digital In Arbeit

Der Burgtheater-Spielplan

Werbung
Werbung
Werbung

Wer die Entwicklung des Burgtheaters im vergangenen Sturmjahr aufmerksam verfolgte, mußte — bei aller Anerkennung der Schwierigkeiten — zu einem gewissen Pessimismus hinsichtlich des Spielplanes unserer hervorragendsten Sprechbühne kommen. Das inzwischen von Burgtheaterdirektor Raoul Aslan entwickelte Programm für 1946 läßt uns diesen Pessimismus glücklicherweise aufgeben. Als erste Neuheit wird das Burgtheater voraussichtlich noch im Jänner Gribojedovs klassische Komödie „Verstand schafft Leiden“ herausbringen. Nach langer Zeit wird Shakespeares „O t h e 11 o“ wieder vom Burgtheater gespielt werden mit Ewald Baiser in der Titelrolle, und aus dem klassischen deutschen Drama werden Schillers „Braut von Messina“ und Grillparzers „Bruderzwist“ wieder aufgenommen. Eine fesselnde dramaturgische Regieaufgabe wird wohl Ca 1 d e r o n s „W undertätiger Magus“ stellen und auch ein Drama Lope de Vegas soll dem Spielplan eingefügt werden. Das spanische Barockdrama der deutschen Bühne zu gewinnen, ist eine vielleicht schwierige, aber doch auch überaus dankenswerte und notwendige Aufgabe, die, unseren altösterreichischen Traditionen gemäß, gerade Österreich und Wien zu lösen hätte.

Von den Meistern des modernen Dramas soll Claudel mit seiner „Verkündigung“ wieder im Spielplan aufscheinen — wir hoffen, daß doch auch der „Seidene Schuh“ wird herausgebracht werden können — und der Amerikaner O'Ne i 11 mit der schon vor 1938 gespielten Tragödie „Trauer muß Elektra tragen“. Auch im Falle O'Neill hoffen wir, daß es nicht bei diesem einen Drama bleiben wird, daß vielmehr langsam aber stetig das thematisch und geistig weite Schaffen dieses gewaltigen Repräsentanten des modernen literarischen Amerikas gepflegt wird. Strindbergs „Rausch“ und Tschechows „Möwe“ werden dem Burgtheater Gelegenheit geben, zu zeigen, ob sich die Kunst der Darstellung seelischer Nuancen in seinem Ensemble erhalten hat. Von Wiener Dramatikern der Gegenwart stehen Theodor Csokor, Rudolf Holzer und Marcelle d'Arle auf dem Plan.

Es mag noch Jahre dauern, bis das Burgtheater in der Lage sein wird, einen Spielplan zu verwirklichen, der völlig seinen Traditionen entspricht. Aber die Daseinskrise des Jahres 1945 scheint denn doch überwunden. Das Burgtheater wird wieder die vornehmste Pflegestätte der dramatischen Weltliteratur werden, wenn es nur will. Wie heißt es bei Rilke? „Wer spricht von Siegen, Überstehn ist alles.“ Haydn-Messe in der Burgkapelle

Am Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr hörte man beim Hochamt in der Burgkapelle eine festliche Aufführung von Joseph Haydns „Paukenmess e“, einem jener Werke, die der Meister für seinen vierten Dienstherrn aus dem Fürstenhause Esterhazy komponiert hat. „In tempore belli“ heißt es auf dem Titelblatte des Manuskriptes, und die Verwendung von Pauken und Trompeten setzen der Instrumentation stellenweise auffallend grelle Lichter auf. Die bewegten Zeiten, die durch das siegreiche Vordringen Napoleons vom Süden der Monarchie her gekennzeichnet waren, spiegelten sich irgendwie im Schaffen Altmeister Haydns wider. Doch ercheint alles durch eine wundervolle künstlerische und menschliche Reife verklärt. Problematik schweigt in Form und Inhalt. Man wird an des Künstlers Wort erinnert, mit dem er Vorwürfe über seine weltliche Haltung in der Kirchenmusik abzuwehren wußte, indem er sagte: „Wenn ich an Gott denke, ist mein Herz so voll Freude, daß mir die Noten wie von der Spule laufen. Da mir Gott ein fröhlich Herz gegeben hat, so wird er's mir schon verzeihen, wenn ich ihm auch fröhlich diene.“ Die Frömmigkeit, die Gottgläubigkeit sind bei Haydn nicht das Ergebnis eines durch Zweifel und Widerstände bedingten Ringens, sondern das Geschenk einet naiven, reinen Herzens.

Dies kam in dem unbeschwerten Fluß eine lockeren Musizierens bei der unter Leitung von Josef Krips stehenden Aufführung mit den Wiener Sängerknaben und Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters überzeugend zum Ausdruck. Das Gewicht, das in dieser Messe der Agnus-Satz erhält, hilft den Zyklus sehr natürlich abzurunden und eine wirksame Finalsteigerung zu ermöglichen. Einer Renaissance der Haydnschen Kirchenmusik das Augenmerk zuzulenken, wäre gewiß eine lohnende Aufgabe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung