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Der Film der Geiger und der Sänger

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Die Dreimäderlhausproblematik der Musikgeschichte lautete etwa so: Ist es ein Verbrechen, einen Schubertschen Militärmarsch als Entreelied und Sonatenteile als Duett in ein Singspiel zu schmuggeln, oder ist es geradezu mit eine demokratische Sendung der Operette, solcherart Klassisches unter die Leut’ zu bringen? Der Tonfilm geriet früh in das gleiche Dilemma, doch lag hier die Lösung auf der Hand. Indem der Film früh die Stimmen Kiepuras, Schmidts und Giglis, die Dirigentengeste Stokowskys mit seinem nach Frequenzen neu gruppierten Orchester und die großen Geiger und Pianisten, die dem gewöhnlichen Sterblichen nicht zugänglich waren, ins Spiel brachte, erfüllte er wirklich eine demokratische Aufgabe. Die Künstler selber wachten zudem darüber, daß, wenn schon nicht der Film an sich (im Gegenteil: die schönsten Gigli-Filme reichten als Filme nie über den Durchschnitt, sondern blieben eher darunter), so doch ihr musikalischer Part makellos zur Darstellung kam. Der Film wieder griff bedenkenlos ins Geldschaffei und zahlte Honorare, die der pfiffigste Manager nicht aus dem Publikum herauspressen konnte. So waren und sind bis heute also letzten Endes alle zufrieden, nicht zuletzt das Publikum, das gesiebte und technisch „betreute“ Höchstleistungen zu sehen und zu hören bekommt, die kein Konzertsaal der Welt zu bieten hat.

Wie viele Zehntausende beispielsweise können sich um ein Eintrittsgeld von fünf bis zehn Schilling zu Yehudi Menuhin vorkämpfen? Der Film „Sabine und die 100 Männer“ macht das aus dem Handgelenk. Und gerade weil seine Dutzendgeschichte vom Töchterl (Sabine Sinjen), das den abgerutschten Vater (eine erbarmungswürdige Figur Dieter Borsches) wieder auf den Dirigententhron setzt (ein amerikanischer Film mit Deanne Durbin hat das schon vor 20 Jahren vorgegeigt), so anspruchslos auf den Massengeschmack verpaßt ist, gerade darum werden nun Hunderttausende mit ungetrübtem Genuß das miterleben können, was sie sonst nie, nie, nie erlebt hätten: Yehudi Menuhins optisch und akustisch sensationellen Geigenpart im Bach-Prélude, in der Sara-sate-Häbanera und (mit den Berliner Philharmonikern unter Ferenc Fricsay) in der Beethoven-F-dur-Romanze und im letzten atzides MendelssohrL-Viöliiikötizerteg. ' M

Es gilt das gleiche für den Film „Schlußakkor d“, den Wolfgang Liebeneiner, wenn auch das Drehbuch (Uraufführung mit Hindernissen einer modernen Oper bei den Salzburger Festspielen!) da und dort nicht stimmt, als Film nicht unter den Durchschnitt sinken läßt, dem Darstellerprofile, wie Eleonore Rossi-Dragos, Victor de Kowas (etwas überchargierte Karajan-Karikatur) und die Musik Georges Aurics Kontur geben, den aber doch letzten Endes erst die große Stimme Mario del Monacos zu dem macht, was er ist: ein Sängerfilm von Rasse und Kultur, wie man sich die Gattung nur wünschen kann.

„Das Spukschloß im Spessart“ hat der Kollege von der „AZ“ als einziger Wiener Kritiker nach Herzenslust gezaust. Er hat irgendwo recht. Kurt Hoffmanns Kabarettstil ist immer auf jene Spitze getrieben, wo man leicht umkippt. Fragt die Köchin um die Torte, zu der man von Mehl, Zucker und Butter immer um ein paar Dekagramm mehr als erlaubt nimmt. Da kann man dann Liese-lottchen hineinpulvern, Meyerinck und Waldow, Bois und Thomalla — das Ganze stimmt dennoch nicht und ist irgendwie überdreht. Noch so ein Sieg von Hoffmann, und alles ist verloren.

Eine deutsch-französische Co-Produk-tion, „Haltet den Dieb“, hat’s mit Sascha Guitry. Aber der ist tot. Und so was muß am Leben bleiben!

Die ernste Problematik der Woche ist leider alt. Sieben Jahre alt die Geschichte „Der Gaukler“, ein mutiger, anständiger Film mit Kirk Douglas aus dem Judenelend der KZ-Zeit und der schwierigen Heimkehr nach Israel. Ein feiner Schleier filmischer Antiquiertheit nimmt uns die Möglichkeit einer stärkeren Anteilnahme. In dem Film „Der Kommandant“ soll eine Episode aus dem amerjkanischen Rückzug in China 1944 wohl die Problematik auswärtiger Interventionen überhaupt dartun? Ein gefährd liches Unternehmen in den Tagen von Kongo, Algerien und Co.!

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