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Der Lyriker Alexander Lernet-Holenia

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Die von der österreichischen Kulturvereinigung herausgegebene Reihe der Turmschriften, die uns schon öfters in dankenswerter Weise kostbare Schätze österreichi-sdier Didnkunst wieder verlebendigten, macht uns diesmal mit neuen lyrischen Arbeiten eines der bedeutendsten Dichter unseres Landes bekannt. Nach einem gleichnamigen Gedicht der Sammlung nennt sie Alexander L e r n e t - H ö 1 e n i a „Die Titanen“ (Amandus-Edition).

Die Dichtungen tragen den Charakter breit dahinzugehender odenha'fter Gesänge. Form und Vorwurf Weisen auf die' Antike und geben so der gesamten 'Komposition einen geschlossenen Rahmen. Der geistige Inhalt dieser in' ihrer 'sprachlichen Klarheit und Formvollendung oft wahrhaft bezwingenden Verse erhebt sich“ ins Zeitlose und ringt mit Mächten, die Hellas ebenso bewegten wie unsere Zeit, die “ihre endgültige geistige Form sucht: der' Mensch und das Schicksal, jenes Schicksal, das uns erchütternd in Werther und Hyperion entgegentritt, das uns über den Gräbern der Gefallenen zur bedrückenden Frage wird und in Agamemnon und Helena zu Glorie und Schönheit emporsteigt, es liegt' endlich in den Armen Chronos' und sdieint rätselhaft bei Charon zu endigen, dem Fährmann in • das Reich der Schatten.

Schicksal! augenlös waltend. Was du uns

- spendest, ■• ■ .....

schenkst du uns, wenn wir noch schlafen;

doch was du raubst, reißt du gräßlich, wie Unkraut, aus unserem

vollen Bewußtsein —.

(Gedanken an Hyperions Hügel).

Die fein nuancierte Rhythmik, die den vorliegenden Gedichten Lerriet-Holeriias ihr Gepräge gibt, madieft sie' zu währen Gesängen, das heißt in ihnen tritt neben dem Bilde auch der Ton wieder als beherrschender Faktor auf. Gerade heute ist das von großer Bedeutung, da in der Lyrik der jüngsten

Vergangenheit die Musikalität der Verse oft viel zugunsten des Gedankens oder der Bild-haftigkeit eingebüßt hat.

Dieses tiefe musikalische Empfinden des Dichters wird in dem Gedichte „Gedanken am Grabe Werthers“ zu einer großartigen, visionären Deutung der Musik selbst.

Nicht der Mäonide, nicht Ossian,

aber . vielleicht daß Musik, tönendes

Sittengesetz, — seltsamstes der Deutschen! — dich hätte

erretten können.

Diese Deutung der Musik als tönendes Sittengesetz mag zutiefst aus der österreichischen Wesensart des Dichters kommen. Im Anhören der unsterblichen Klänge unserer Großen, Mozart, Beethoven, Schubert, müssen wir an die Musik als tönendes Sittengesetz glauben, jenes Sittengesetz in uns, gleich herrlich dem gestirnten Himmel über uns.

„Das Antlitz Gottes“. Von Dr. Dr. Claus S c h e d 1, Herder-Verlag.

In der „Furche“ gab der “Wiener Herder-Verlag kürzlich sein nächstes Programm bekannt. Unter anderem ist auch „Das Antlitz Gottes“ angekündigt, ein schön ausgestattetes kleines Buch, das in das Gebiet der religiösen Dichtung gehört. Wenn jemand versucht, die hochpoetisdien Visionen der Propheten zu deuten, so muß er selbst ein wenig Dichter und ein Mann des Wortes sein. Die 1. Skizze: „Der Alte der Tage“ behandelt nicht die Vision des Propheten Daniel, sondern das Sechstagewerk fällt scheinbar etwas aus der Reihe. Doch ist dies begründet in der inneren Zusammengehörigkeit der drei Skizzen, unter denen der ersten Skizze eine große Bedeutung gerade in der religiösen Auseinandersetzung unserer Zeit .zukommt, wo Gott und Welt als das eine in einander überfließende Wunder des Daseins gesehen werden. Dieser Verschwommenheit aber wird das klare scheidende „Wort Gottes“ gegenübergestellt, wie es der Schluß iq geformter Sprache zusammenfaßt: „Ein Wort von dir bin ich; du riefest mich; ich antworte dir!“

In der Gesamtliteratur nimmt das Büchlein insofern ein besondere Stellung ein, weil hier es jemand unter sehr wenigen versucht, das schwer verständliche Alte Testament dem modernen Menschen nahe zu bringen. Wir hoffen, daß es nicht bei diesen ersten drei Skizzen bleibt. Schon auf Grund dieser ersten Versuche kann man von dem Verfasser eine wertvolle, auch dichterisch hochstehende Übersetzung der .Neuen Psalmen“ erwarten, von denen in der „Furche“, Nr. 12 vom 23. März eine erste vielversprechende Kostprobe vorgelegt wurde.

Anton Pauk, Wien

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