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Dichtung im Taschenbuch

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Die Taschenbuchreihen sorgen dafür, daß die Leser, die sich einer verwirrenden Fülle von Neuerscheinungen gegenübersehen, auch auf ältere Werke der Weltliteratur hingewiesen werden und diese mit geringen Kosten ihrer Bücherei einverleiben können. Die Reihe „Exempla Classica“ des Fischer-Verlages bringt in einer Auswahl von hundert Bänden Meisterwerke der abendländischen Literatur, die für eine Epoche oder eine bestimmte Richtung besonders charakteristisch sind. Unter anderen erschienen die „E x e m-plarischen Novellen“ des Miguel de Cervantes, in der Ubersetzung von Soltau und mit einem Nachwort von Werner Krauß (524 S.). Wer den Schöpfer des unsterblichen „Don Quijote“ schätzt, sollte auch diese Novellen lesen, die im doppelten Sinne „exemplarisch“ genannt

wurden: als moralisch belehrende Begebenheiten und, wie Cervantes meinte, als Muster der novellistischen Form. Elemente des Schelmenromans und des Abenteuerromans sind in diesen durch reiche Fabulierkunst und realistische Sittenschilderung ausgezeichneten Novellen zu finden. Der Roman „Therese R a q u i n“ von Emile Zola, übersetzt von Ernst Hardt, erläutert von H. Petriconi (210 S.), ist einer der klassischen Ehebruchsromane der französischen Literatur, 1867 erschienen. Die Qualen, die das schuldige Paar nach dem Mord erdulden muß, sind mit einer Kraft geschildert, welche die Grenzen des exakten Naturalismus sprengt und uns auch heute noch zu ergreifen vermag. Dem Band ist Zolas programmatisches Vorwort zur zweiten Auflage vorangestellt; so können wir deutlich sehen, daß der

Dichter in ihm stärker war als der Theoretiker. An der Übersetzung stört die sinnlose Verdeutschung der Namen.

In der anderen Taschenbuchreihe des Fischer-Verlages finden wir unter dem Titel „England erzählt“ (182 S.) eine von Hilde Spiel ausgewählte und eingeleitete Sammlung von Proben moderner englischer Erzählkunst. Da gibt es berühmte Namen, wie Forster, Joyce, Mansfield, V. Woolf, Graham Greene, Waugh, Wilson; andere wieder sind bei uns nur wenig oder gar nicht bekannt, einige sollte man sich aber merken. Den Band „F r a n k r e i c h e r z ä h 11“ (181 S.) hat Pierre B e r t a u x ausgewählt und mit einem Vorwort versehen, das ziemlich dürftig ausgefallen ist. Auch die Auswahl der Beiträge von 13 Autoren kann nicht recht befriedigen, denn manches ist wohl „modern“, aber künstlerisch leicht von Gewicht. Am meisten fesseln die Erzählungen von Supervielle, Sartre, Jouhandeau

und Jacques Bureau. Nicht alle der hier vertretenen Dichter sind gebürtige Franzosen. Camara Laya stammt aus Kurussa in Guinea, Driss Chraibi ist Marokkaner und V.ihc Katcha, der eine thematisch und formal originelle Geschichte beisteuerte, ist armenischer Abkunft und in Syrien geboren. Zu erwähnen ist auch der Roman von Ina Seidel, „Sterne der Heimkehr“ (192 S.), ein Frühwerk, das bereits 1905 entstand. Die Handlung spielt nach dein ersten Weltkrieg und verknüpft auf phantasievolle Weise die Schicksale von zwei Brüdern und von anderen Menschen. Wenn auch die späteren Werke Ina Seidels diesem künstlerisch überlegen sind, werden die vielen Freunde der Dichterin die Neuausgabe doch begrüßen. Ebenfalls in der Fischer-Bücherei erschien die bedeutsame historische Darstellung „D i e Kaiserin Konstanze“ (171 S.) von Henry Benrath, welche uns in meisterhafter sprachlicher Form die tragischen

Konflikte der Kaiserin mit ihrem Gemahl Heinrich VI. und das spannungsreiche Spiel der politischen Mächte in einer wesentlichen Epoche abendländischer Geschichte vor Augen führt.

In der Reihe „Rowohlts Klassiker“ finden wir eine Auswahl „D r a m e n“ (343 S.) von August Strindberg, einem der großen Wegbereiter des modernen Dramas. Strindbergs Werk hat ja auf die Weltdramatik einen tiefen Einfluß ausgeübt, und vieles, was dem Publikum von heute als so unerhört neu erscheint, wurde von ihm vorgebildet und angeregt. Der Band enthält in der neuen Übertragung von Willi Reich die Stücke „Der Vater“, „Fräulein Julie“, „Nach Damaskus“ (eine gekürzte Fassung), „Totentanz“, „Ein Traumspiel“ und „Gespenstersonate“. Also Werke, die deutlich den geistigen und künstlerischen Werdegang des Dichters spiegeln.

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