Werbung
Werbung
Werbung

Der Wahrnehmung, dem Staunen, meinetwegen der altmodisch gewordenen Demut vor jeglicher Natur und Kunst, vor der schlichten aber schwer erklärbaren Schönheit, die uns immer noch umgibt, steht als Feind die Gewohnheit gegenüber. Nicht wie vermutet Unwissen oder blinde Zerstörungswut. Es ist nur ganz einfach der heute durch tausend Reize von Medien, Konsum und Werbung ermüdete Blick, der an der Statik des unverändert Schönen scheitert. Wo bleibt die Aktion, wo bleibt der Wirbel, der Skandal, das Unvorhergesehene und Neue? "Der Großglockner steht immer noch!" wäre eine völlig erfolglose Schlagzeile, obwohl ihr Inhalt mehr über die Welt aussagt als alle Sensationen des Jahres.

Selbst das Wechselspiel des Lichtes und der Jahreszeiten unterliegt dem Gewohnheitsblick. Vorhersehbare Veränderungen mögen noch so zauberhaft sein, sie beeindrucken längst nicht mehr. Erst wenn ein abenteuerlustiger Aktionist ein Gebäude oder Naturdenkmal in Stoffbahnen einpackt, lernen wir wieder hinzuschauen. Und vielleicht bemerkt später, wenn die Verpackung verschwunden ist, mancher Zeitgenosse, um wieviel harmonischer und billiger zum Beispiel bloß ein kurzer Schneeschauer ein Gebäude verzaubern kann. Solches Aufwecken des Gewohnheitsblicks kann durchaus ein Verdienst sein, welches den gesteigerten Umsatz der Textilindustrie für Großverpackungen rechtfertigt.

Als literarische Idee geistert seit Oswald Wieners "Verbesserung Mitteleuropas" der bunte Anstrich berühmter Gebäude redundant durch manche Buch- und Zeitschriftenseiten. Ein kanarigelber Stephansdom ist ja in der Phantasie ganz lustig. Mittlerweile freilich bemalen die Weltverbesserer lieber den eigenen Körper und zeigen damit mehr Mut zum persönlichen Risiko. Die Haut ist leichter abwaschbar - und wer nicht hinschauen will, der muß ja nicht hinschauen wie auf einen tätowierten Steffel.

Möglicherweise liegt die Verbesserungslust auch an der relativ reichlichen und preiswerten Verfügbarkeit des oberflächendeckenden Materials. Ehe die Chemie die einst sündteuren Farben und Stoffe in Massen produzieren konnte, wäre wohl kaum einer auf die großflächigen Ideen gekommen.

Es sei denn mit Gold, welches sich so fein zu Blattgold auswalzen und auftragen läßt, daß zum Beispiel nach den Beutezügen in die Neue Welt die Spanier ganze Saaldecken oder Altarwände damit überzogen. In die Bewunderung mischt sich noch heute ein etwas mulmiges Gefühl.

Die Erinnerung daran taucht auf, wenn derzeit ein Verbesserungskomitee die Absicht bekundet, den Gipfel von Österreichs höchstem Berg, dem Großglockner, zu vergolden. Geld spielt dabei in Sparpaketzeiten keine Rolle. 20 Millionen Schilling in Blattgold liegen bereit.

Wenn der österreichische Alpenverein als Eigentümer des Großglockners den Gipfel für den neureichen Glanz nicht hergeben will, so haben die Aktionisten bereits erklärt, daß sie halt einen anderen Berg finden werden. Irgendwie sehr motivierend wirkt ja schon die Absicht auf "Licht ins Dunkel", "Nachbar in Not", "Menschen für Menschen", und wie diese Aktionen alle heißen mögen, die sich weniger in den Gipfelregionen bewegen.

Der Berg ruft. Die Faszination ist unwiderstehlich. Der Untersberg, in dessen magischen Höhen Kaiser samt Gefolge auf Ruf und Sieg warten, soll auch verbessert werden. Ein "Denkmal der Toleranz" soll ihn zieren, um bescheidene 26 Millionen Schilling, aufgebracht von einer sehr prominent besetzten Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. So eine Bergverbesserung erhöht die Toleranz ungemein, denn eine andere Möglichkeit zu ihrer Förderung ist schwer zu finden.

Berg und Tal sind geduldig. Die Veranstaltung eines Venezianischen Karnevals zu Ostern in Saalbach ist nur eine kleine Verbesserung. Die alte Weisheit "Alles hat seine Zeit!" ist längst ersetzt durch die gewinnverheißende Parole "Alles ist möglich!"

Unte

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung