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Die düstere und die helle Seite

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Den Direktor der Bregenzer Festspiele, Prof. Ernst Bär, hat immer Wagemut ausgezeichnet. Daß ein Spiel, das sich zwischen polnischen Mönchen, einem SS-Sturmbannführer und einem polnischen Juden t>e-wegt, nicht nach jedermanns Geschmack ist, war vorauszusehen. Dabei sei am wenigsten an jene gedacht, welche von der unbewältig-ten Vergangenheit am liebsten nichts hören möchten. Die Frage geht rein dahin: wie meistert der Verfasser den Stoff und welches Ziel hat er sich gesetzt?

Zwischen dem Prior des Klosters und dem SS-Offizier bestehen alte Bande. Der SS-Mann war Theologe und wurde dann zum Hasser. Ausgerechnet in der Stadt, die vom Klosterhügel gekrönt wird, mordet er die Juden. Ein Verfolgter springt über die Klostermauer. Die Mönche geben ihm Asyl, obwohl sie ihr eigenes Leben gefährden. Die Geliebte des SS-Mannes, eine polnische Dirne, hat die Flucht beobachtet und will sie zu einer Erpressung ausnützen. Wieder bleibt der Prior stark. Es kommt zur Peripetie: Prior, Jude und SS stehen einander gegenüber. Der Sturmbannführer tobt sich in einer gräßlichen Blasphemie aus: er hängt dem Juden die rote Tischdecke um, gibt ihm die Reitpeitsche in die Hand und krönt ihn mit einer Stacheldrahtrolle. In diesem Augenblick voll höchster dramatischer Spannung vollzieht sich in zwei Männern die innere Bekehrung: der Jude läßt von seinem Christenhaß, der Sturmbannführer kann nicht mehr töten und ruft seinen Männern zu, im Kloster sei kein Jude versteckt.

Und hier hätte nach der Meinung des Rezensenten der Autor Roman Brandstaetter sein Drama „Der Tag des Zorns“ abschließen sollen. Was nun folgt, ist Abstieg. Der Sturmbannführer erschießt seine Dirne, weil sie nun ihn erpressen will, und fällt selber unter den Garben der Maschinengewehre polnischer Patrioten. Das Mysterienspiel, das bisher für sommerliche Festwochen fast zu feierlich war, wird zum Kriegs-Krimi.

Zum Glück werden die drei Hauptrollen von hervorragenden Schauspielern getragen: Erich Auer ist ein priesterlich-würdiger Prior, der das Abgleiten in salbungsvolle Töne glücklich vermeidet. Josef Meinrad verleiht dem Juden erschütternde Züge und Heinz Moog findet sich in den Wüterich, in dem doch ein Rest von Menschentum, vor allem seine eigene unbewältigte Vergangenheit, verborgen ist. Gut in ihre Rolle finden sich Blanche Aubry in der einzigen, wie uns scheint, deplacierten Frauenrolle und Achim Benriing als Widerstandskämpfer, Roman Brandstaetter führt den Chor der griechischen Tragödie wieder ein. Zwölf Mönche unterstreichen die christliche Thematik) deren Sprecher der Prior ist. jFast ist man versucht zu fragen, warum dem Juden und dem SS-Mann kein solches Echo zur Verfügung steht. Dazu kommt, daß der Chor nicht einmal genügend Sprechdisziplin hat.

Großartig ist das Bühnenbild mit Davidsstern und Kruzifixus von Lots Egg.

Sinn und Zweck? Dient das Spiel der Verstärkung von Christentum und Judentum, wie es dem Geschlecht des Vatikanischen Konzils vorschwebt? Ein eindeutiges Ja ist kaum möglich.

Und nun das unbeschwert heitere Gegenstück: „Eine Nacht in Venedig“ auf dem nächtlichen Bodensee. Das große Wassertheater erzielt ungeahnte optische Effekte, die bei der Premiere durch kaum enden wollende Gewitter noch verstärkt wurden. Die Mittelbühne ist eine Spielfläche, die geradezu grenzenlose Entfaltungsmöglichkeiten für Massenszenen birgt. Die dekorativen Elemente sind auf die Seiteninseln verlegt und werden vom Horizont der barocken Wasserspiele abgeschlossen. Von der Mittelbühne führen zwei Rialto-Brücken zu den venezianischen Palazzi. Auf den Wasservorhängen erscheinen Silhouetten der venezianischen Kirchen. Aus der Tiefe des Raumes fährt das große Herzogsschiff vor. Die Inszenierung von Adolf Rott und die Bühnengestaltung von Walter Hoesslin brauchten sich nach keiner Richtung einen Zwang aufzuerlegen.

So rollt Johann Strauß' unvergängliche Meisteroperette vor einem begeisterten Publikum ab, das ergeben Regenhaut und Kapuze mitgenommen hatte und den Künstlern dankte, daß auch sie nicht wasserscheu waren. Rudolf Christ als Herzog, Karl Dönch, Friedrich Nidetzky und Herbert Klomser als Senatoren, Birgit Sarata, Hilde Konetzni, Gerda Scheyrer und Elfriede Pfleger in den weiblichen, Murray Dickie und Maurice Besancon in den männlichen Rollen, Symphoniker und Staatsopernballett, und ja nicht zu vergessen der Bregenzer Festspielchor mit 120 Mitwirkenden, schaffen eine Aufführung, die in Bild- und Tonwirkung keinen Wunsch offen läßt.

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