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Die Gäste im Bunker

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Ein großer, moderner, neulackierter Fiatautobus wartete auf der Piazza Principale in Triest. Die bequemen Klappfauteuils luden zu einer Reise ein. Neugierige erfuhren, daß der Wagen für eine Reise zu der Fiera di Vienna, zur Wiener Messe, bestimmt sei- Zum ersten Male sei es einem Triester Reisebüro seit Kriegsende gelungen, alle Schwierigkeiten zu überwinden und diese Fahrt zu ermöglichen. Bald waren alle Sitze ausverkauft. Trotzdem der Prei für den sechstägigen Aufenthalt pro Person 30.000 Lire betrug — da$ sind ungefähr 400 Schilling pro Tag —, waren die Triestiner zufrieden, mit dieser Fahrt die erwünschten Handelsbeziehungen mit Wien wieder anknüpfen zu können. Die Fahrt begann programmgemäß. Uber ihren Verlauf liegt uns jetzt ein Bericht aus Triest vor. Er ist weniger erfreulich, als interessant Ohne Schwierigkeit wurde die Grenze passiert und in einem der besten Hotels am Wörther See die erste Nacht verbracht. Jeder Rqsende bekam ein Zimmer mit Bad und als am nächsten Tag die Reise fortgesetzt wurde, war die Stimmung gehoben und die Erwartung gespannt. Zwar wußte man, daß die großen Ringstraßenhotels in Wien noch von den Besatzungstruppen besetzt waren, aber nach der gastfreundlichen Aufnahme in Kärnten nahm man an, daß in der Bundeshauptstadt für Messegäste nicht minder gesorgt sein würde. Nach einer wunderschönen Fahrt rollte der Autobus durch die südliche Einfallsstraße in Wien ein und hielt schließlich vor einem ungeschlachten riesigen Steinklotz. Die dicken mit Bastionen gezierten Mauern machten mehr den Eindruck eines mittelalterlichen Gefängnisses als einer Wohnstätte für Messebesucher. Es war aber kein Irrtum. Der Impresario hatte seine Opfer tatsächlich in der neuesten Hotelaquisition Wiens — im Bunkerhotel Esterhazyplatz — untergebracht. Der gewesene Flakturm mag ja für Fremde sehenswert sein, aber er ist die Potenz von Ungemütlichkeit. Er war ja auch nicht für gemütliche Zwecke erbaut. In den lichtlosen Kasematten, die vielleicht zur Mittagszeit ein durch eine Schießscharte fallender Sonnenstrahl traf, bei den in einem Flakturm vorgesehenen sanitären Anlagen für auf Geschützstation befindliche Soldaten, waren die Gäste sechs Tage lang einquartiert. Unnötig zu bemerken, daß die Reiseteilnehmer die österreichischen Stellen verantwortlich machten. Unnötig festzustellen, daß der Vertreter des italienischen Reisebüros diese Ansicht bestärkte und bedauernd die Achseln zuckte. Mit dem Gefühl, die direkten Nachfolger Richard Löwenherz' gewesen zu sein, verließen die Opfer dieser Spekulation den für sie so ungastlichen Boden. Die interessierten österreichischen Stellen sollten doch wohl Vorkehrungen treffen, um solchen auf Kosten des österreichischen Rufes und der Wiener Messe gehenden Eskapaden allzu geschäftlichen Unternehmergeistes vorzubeugen.

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