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DR. KARL RUDOLF STUDENTENVATER, SEELSORGER, FILMPRÄLAT

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Dem Wiener Arbeiterkind Karl Rudolf, das am 22. November 1886, also vor nunmehr 75 Jahren, in der Vorstadt Erdberg zur Welt kam, hat das Schicksal die ganze Unrast der Zeit in die Wiege gelegt. Er hat sie angenommen, bejaht, geheiligt und zur schöpferischen, gottgesegneten Unruhe erhoben.

Wer weiß, ob nicht der Vater, der den Buben früh zu bewegten Versammlungen der eben aufflammenden christlichen Arbeiterbewegung mitnahm, den Sohn in Gedanken schon auf den unblutigen Barrikaden politischer Führerschaft gesehen hat? Es ist anders gekommen. Der Bub ist Priester geworden und hat schon ein paar Monate nach seiner Priesterweihe (25. Juli 1912), im September desselben Jahres, auf dem Eucharistischen Kongreß ein vielbeachtetes Referat über — Studentenfürsorge gehalten. Wer darin eine Überraschung er blickt, der weiß nichts von dem verschämten Proletariertum, das große Teile unserer akademischen Jugend von damals bis heute kennzeichnet; der weiß nichts von dem erbitterten Kampf ihrer katholischen Elite gegen die erdrückende Übermacht feudal-liberaler Überheblichkeit und Unduldsamkeit von ehedem-, der weiß aber auch nichts von der heiligen Unruhe, die gerade diese akademische Jugend wie einen Strahlenfänger die Nöte der Zeit auffangen und erleben und um ihre Überwindung ringen läßt.

So ist denn Karl Rudolf folgerichtig zuerst und zuvorderst zum Studentenvater und Studentenseelsorger, ja zum richtigen Studentenseelenfänger geworden, im Volksbund und im Akademikerausschuß, im CDSB, im „Neuland” und gleichzeitig im CV, sehr früh über Schatten springend, über die graubärtige Eiferer hüben und drüben bisweilen noch heute stolpern. Von da weg ins Zentrum allermodernster, für Europa beispielgebender österreichischer Gesamtseelsorge in Stadt und Land vorzustoßen, war nur ein Schritt. Ein weiter Schritt. Denn auf diesem Wege liegen zahllose Organisations- und Zeitschriftenschöpfungen und Mitbegründungen (Pax Romana, Katholisches Sozialwerk, Theologie für Laien mit den Fernkursen und verschiedenes andere), Übersetzungen und eigene Werke, so besonders „Aufbau im Widerstand”, beredtes Zeugnis für das Zentrum geistiger Resistance im Seelsorgeamt zur Zeit des Nationalsozialismus, Tagungen, Schulgründungen, Anregungen, Ehrungen, Vorrückungen und Auszeichnungen: 1918 Doktor der Theologie, 1922 Domkur at zu St. Stephan, 1939 Wirklicher Konsi-

storialrat, 1941 Domkapitular zu St. Stephan, 1954 päpstlicher Hausprälat und zuletzt infulierter Dom- scholaster — und natürlich auch Rückschläge und Enttäuschungen.

Dies alles geschah mit dem Impetus eines sengenden Temperaments, mit der unfehlbaren Witterung für das Neue und Notwendige, aber auch mit der ganzen Unökonomie einer sich selbst verzehrenden und sich unerhört verbrauchenden völligen Hingabe an die jeweiligen Pläne, Vorhaben und Aufgaben.

Früh hat Dr. Karl Rudolf auch das umstürzende Neue katholischer Filmtätigkeit erkannt. Er war schon dabei, als sein Vorgänger Petrus Rumler den ersten Anspruch der Katholiken in Produktion und Programmierung anmeldete, er erkannte in der Arbeit der „Sensengasse” Verwandtes und für seine Seelsorge Nützliches, er förderte die ersten Begutachtungen des Instituts für Filmkultur und erlebte den rohen Schwertstreich des Achtund- dreißigerjahres, der über Nacht alles zerschlug. Auf dem trostlosen Trümmerfeld, aber dem geistig fruchtbaren Boden der zweiten Nachkriegszeit baute er, verständnisvoll den päpstlichen und bischöflichen Anordnungen folgend und hellhörig für die Gunst der Stunde, schließlich als Krönung den imposanten Bau unserer heutigen gesamtösterreichischen katholischen Filmarbeit auf. Ihre Stationen können sich wahrhaftig sehen lassen: die richtunggebende Planungs- und Beurteilungsarbeit der Katholischen Filmkommission als episkopal legitimierte und beauftragte Exekutive katholischer Filmarbeit in Österreich, die in der ganzen Welt beachteten und seit kurzem zum internationalen Festival avancierten Biennalen der religiösen Filmfestwochen, Unterschriftenaktion und Filmsonntag, die wichtige Erziehungsarbeit der katholischen Filmgilde, vielversprechende Ansätze zu katholischer Filmproduktion, regelmäßige Zusammenkünfte und Tagungen, Anläufe zu gläubiger und weltlicher Produzenten- und Konsumentenethik, loyale Zusammenarbeit mit den evangelischen Filmstellen und diplomatische Gleichgewichtsbestrebungen um ein gutes, besseres Verhältnis zwischen der Kirche und der weltlichsten Welt des Films.

So rundet sich in diesen Tagen ein höchst achtunggebietendes Werk um einen vorbildlichen Priester und liebenswerten Menschen, der, ein rastloser Arbeiter im Weinberg des Herrn, ein manchmal recht unbequemer Aufstörer, Antreiber und Mitreißer, dabei ein warmherziger Freund und Helfer für Bedrängte und Ratsuchende, auch heute noch nicht „feiern” will, sondern voll heiliger Unrast neuen Plänen und Arbeiten zugewandt ist.

Vor 22 Jahren hat die Dichterin Paula von Preradovič dem rastlosen Kämpfer und Priester ein Poem gewidmet, das das letzte Ziel seines Wirkens in gültigen Worten festhält:

der Knecht, da sich der Herr entfernte, Nach der kurzen Einkehr seligem Rasten,

Wieder ging er zu den alten Lasten,

Wieder in den heißen Weinberg ein,

Daß in immer höherer

Vollendung Er vollbringe seines Meisters Sendung.”

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