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Ein Denkmal und sein Schatten

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DIE UNBESUNGENEN HELDEN. Von Kurt R. Großmann. Arani Verlags-G.m.b.H., Berlin-Grune- wald. 388 Seiten. Preis 14.80 DM

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DIE UNBESUNGENEN HELDEN. Von Kurt R. Großmann. Arani Verlags-G.m.b.H., Berlin-Grune- wald. 388 Seiten. Preis 14.80 DM

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In allen Ländern Europas, die dem Joch des Hakenkreuzes unterworfen waren, Deutschland selbst miteingeschlossen, hat es Menschen gegeben, die kein Opfer und keine Gefahr und selbst den Einsatz des eigenen Lebens nicht scheuten, um den verfolgten Juden beizustehen und sie den unerbittlichen Schergen Hitlers zu entreißen. Eine auch nur annähernd vollständige Geschichte dieser Todesmutigen und ihrer Werke selbstvergessenden Nächstenliebe wird nie geschrieben werden können; viele dieser Männer und Frauen sind anonym geblieben, von vielen ging jede Spur verloren, viele andere fielen unter dem Henkerbeil oder den Kugeln der SS-Kommandos, ihren Schützlingen im Tode vorangehend oder folgend, die sie vergeblich zu retten versucht hatten. So ist es auch eine verhältnismäßig nur kleine Zahl der „unbesungenen Helden“, wie das vorliegende Buch zutreffend betitelt ist, denen Großmann unter Zuhilfenahme bereits veröffentlichter Tatsachenberichte oder ihm unmittelbar zugegangener schriftlicher Aussagen Ueberlebender aus jener furchtbaren Zeit ein erschütterndes Denkmal gesetzt hat. Leider, und offenbar mit voller Absicht, wurde auf dieser Gedenktafel aufopfernder Menschlichkeit dem Namen Oesterreichs ein nichts weniger als ehrenvoller Platz zugewiesen. Nicht nur, daß Großmann bloß zwei Fälle zu erwähnen weiß, in denen hilfesuchende Juden bei österreichischen Christen Schutz und Obhut fanden; er setzt dem betreffenden, kaum vier Seiten umfassenden Abschnitt des Buches eine Einleitung voraus, die an antiösterreichischem Ressenti ment kaum zu überbieten ist. Zugegeben, der militante Antisemitismus hat sich auf österreichischem Boden in besonders grauenvoller Form geäußert; das ist aber keine Entschuldigung dafür, „die gegenwärtigen österreichischen Machthaber" (!) für die Antijudenpolitik der , damaligen Besatzungsmacht und deren Folgen verantwortlich zu machen, oder die absurde Behauptung aufzustellen, die Kirche in Oesterreich habe den Juden „das traditionelle Asyl verwehrt“. Bei einigem guten Willen hätte Herr Großmann — besaß er nicht vielleicht selbst einmal die österreichische Staatsbürgerschaft, bevor er Amerikaner wurde? — sich unschwer darüber informieren können, wie viel die verfolgten Juden in Oesterreich damals der persönlichen Initiative des Erzbischofs von Wien, Kardinal Innitzer, und dem opferwilligen Einsatz kirchlicher Stellen wie auch so vieler katholischer Laien zu verdanken hatten.

KLEINES HERZ - WEITE WELT. Von Gerta Hartl. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 154 Seiten. Preis 36.30 S.

Es ist zwar ein Buch für kleine Mädchen, ziemlich kleine, zwischen acht und zehn Jahren vermute ich; aber ich habe es trotzdem gelesen, ich Aelterer und doch schon Graumelierter, dieses Buch von einem lieben, guten Kindchen um die Zwölf, das ja nichts dafür kann, daß es ein Mischling ist, Wollhaare hat, ein stumpfes Näschen und ein kaffeebraunes Pflaumenhäutchen. Und es möchte doch sein wie die anderen, die weißen, die blonden. Die Mama ist leider gestorben, sie war eine Wienerin, und der Papa ist sehr weit weg in den USA, und bei der Tante ist es nicht gerade so, wie es sein sollte, weil die Tante an einem Niggerkindchen keine rechte Freude hat. So fängt das Leben an nicht gerade vertrauenerweckend zu werden, und es gibt allerlei Kümmernisse, und das kleine Herz gerät in Not. Aber schließlich geht dann alles doch gut aus, und eines Tages steht das schwarze Kind auf einem Dampfer und fährt nach den USA, seinem Doktor Papa entgegen, und so ist vorderhand für Glück gesorgt.

Was soll ich nun sagen? Nun, ich lege in diesem Fall meine kritische Feder beiseite und gestehe, daß mir das Buch beim ersten linden Frühlingslüftchen dieses Jahres votkam wie das erste Gänseblümchen auf der Wiese, klein, hübsch und frisch und auch ein wenig rührend. Unsere Fünfzehnjährigen sind natürlich längst über so etwas hinaus, und ein Dreikäsehoch kann noch gar nicht lesen, aber Neunjährige und Graumelierte dürften die richtigen Leser sein;

die einen, weil sie noch an alles Gute glauben können, und die andern, weil sie wieder daran glauben möchten, obwohl das manchmal ziemlich schwer ist, auch wenn das Buch von der schwarzen Doris sich in dieser Hinsicht alle erdenkliche Mühe macht.

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