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Eine Bar in Saigon
DER SOMMERARZT. Roman von Charles Kn ickerbocke r. Ins Deutsche übersetzt von Anton Stuzka. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien-Hamburg. 390 Seiten. Preis 140 S. — DIE NYLONPIRATEN. Roman von Nlcholas Monserrat. Aus dem Englischen übersetzt von Edmund Th. K a u e r. rororo-Taschenbuchausgabe. Preis 2.20 DM. — EINE BAR IN SAIGON. Roman von Guy des Carl. Aus dem Französischen übersetzt von Grete Steinbock. Forum-Verlag, Wien-Hannover-Bern. 475 Selten. Preis 168 S.
Von Literatur ist hier natürlich nicht die Rede: außer, man sieht nach, was unter „literature“ in der Oxford Dictionary steht, der letzten Instanz für die englische Sprache. Da muß man betrübt feststellen, daß sich „jeder gedruckte Stoff“, zumindest was die Umgangssprache anbelangt, „literature“ nennen darf. Nicht, wie wenn diese Romane etwa schlecht wären. Sie gehören zur „escape literature“, zum Flucht-aus-dem-Alltag-Lesestoff. Schon die Titeln sagen über den Inhalt etwas aus, und die Romane selbst sind überdurchschnittlich unterhaltend, spannend, manchmal auch sehr witzig. „Der Sommerarzt“ erlegt zwei Fliegen mit einem Schlag. Arztromane stehen immer noch hoch im Kurs, ebenso die Inselliteratur, die aber auf einen viel längeren, wenn auch nicht unbedingt ruhmreichen Stammbaum zurückblickt. Charles Knickerbocker setzt seinen jungen Arzt Dr. Dan auf eine Insel nieder, womit er dem Leser zwei Modethemen zum Spottpreis bietet. Dr. Dans Inselbewohner, meist primitive Menschen mit unappetitlichen Lebensgewohnheiten, die die sommerliche Flut reicher Touristen vom nordamerikanischen Festland sehr zu schätzen wissen, hatten bisher keinen Arzt ihr eigen genannt. Trotzdem hielten sie sich für ausreichend versorgt, und als allererste Herausforderung mußte Dr. Dan die Konkurrenz einer dicken Alkoholikerin indianischen Geblüts beseitigen. Allmählich siegte der Arzt über alle Gegenkräfte, langsam gewann er alle Herzen und schließlich verliebte er sich. Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er heute noch.
„Die Nylonpiraten“ berichtet von einer langen winterlichen Kreuzfahrt, bei der sich die Mitglieder einer kleinen Verbrecherbande die Aufgabe stellen, jeder auf seine Weise aus den Mitreisenden Geld zu pumpen. Die Opfer verdienen auch kein besseres Schicksal, sie laufen der Bande geradezu mit offenen Armen entgegen. Die Geschichte ist glänzend geschrieben, ungemein amüsant, die Personen sind zum größten Teil moralisch völlig indiskutabel, und die gefühllos-erotischen Szenen sind nur deshalb nicht als Pornographie zu bezeichnen, weil sie eher abschreckend wirken. Kurz: escape literature für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt.
In die Bar in Saigon sickert keine kühle Meeresluft, hier verbirgt das Gesellschaftsspiel finstere Hintergründe. Wir befinden uns an einem der mörderischesten Tummelplätze der Welt: in Südvietnam. Hier muß sich der Agent des französischen Geheimdienstes in den Maschen eines unterschwelligen Krieges zurechtfinden, und dieser Krieg, in dem es hauptsächlich um den verschollenen Plan eines riesigen Uranlagers geht, ist nicht weniger heiß als der endlose, demoralisierende Kampf in den Dschungeln Indonesiens. Dieser spannende Spionage-. Kriminal- und Abenteuerroman ist in seiner Art großartig und steht sicherlich unter den Besten dieses Genres.
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