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„Herzog Blaubarts Burg“

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Das musikalische Graz, das bezüglich der Aufführung von zeitgenössischen Werken seit vielen Monaten auf eh paar Konzerte des Funkorchesters unter Karl Randolf und Emst Märzendorfer angewiesen ist (letzterer brachte das Hindemith-Reguiem zu nachhaltiger Wirkung), erlebte nun in der hochsommerlichen Vorfestwoohenzeit einen interessanten Abend in der Oper, an dem das lyrische Märchen „Die NachtigaU von Igor Strawinsky und — als österreichisdis Erstaufführung — Bela Bar-töks einaktige Oper „Herzog Blaubarts Burg“ aufgeführt wurden.

Das Buch dieser Oper, von Bela Balasz nach der bekannten Sage gestaltet, erzählt in moderner psychologischer Ausdeutung von starkem Symbolgehalt das Schicksal Herzog Blaubarts, als er Judith, seine vierte Frau, auf seine Burg heimführt, um Licht und Leben in die Einsamkeit und Düsternis seines Daseins zu bringen. Aber auch Judith muß den anderen Frauen folgen. Nach einem Abschiedskuß steht Herzog Blaubart wieder allein In den finsteren Gewölben seiner Burg ...

Für diese sehr düstere und unheimliche Geschichte, die vielleicht dartun soll, daß alle

Zweisamkeit zu gesteigerter Einsamkeit führt, sobald ihr Preis die Preisgabe letzter persönlicher Geheimnisse darstellt, hätte sich kaum ein geeigneterer Komponist finden können als Bela Bartök, der mit seiner so gar nicht westeuropäisch orientierten und dafür um so bodenständigeren Kunst die erforderliche Kraft hat, das Libretto in ein zwingendes musikalisches Gewand zu kleiden, daneben aber auch die nötige Einfachheit der Empfindung und die entsprechende Ökonomie im Ausdruck besitzt, um die zwielichtige Aura des literarischen Vorwurfs nicht noch durch eine Spekulation In Tönen pathologisch auszuweiten und zu verzerren. Vorbildlich die Kongruenz zwischen Linie und Klang, außerordentlich plastisch die reiche Melodik in ihrem rhythmisch kraftvollen, vielgestaltigen Rubatostil, ganz eigen und höchst persönlich die Kantabilität der Stimmenführung, während die orchestrale Harmonik, realistisch und knapp, mehr noch als das Kolorit den Rhythmus verstärkt, der in monoton hämmernden Ostinatobässen auch als reine „Substanz“ auftaucht. Trotz unleugbar starker Subjektivität der Aussage herrscht durchwegs eine Ausgewogenheit der Elemente vor, und in der ebenso gekonnten wir organischen Vermengung älterer und fortschrittlicher Stilelemente, zum Beispiel in der Verwendung von Tonarten, läßt Bartök erkennen, daß seine persönliche Entwicklung den ganzen Weg der neuen Musik in sich zusammenfaßt. Und wenn sich zum großen Abgesang des Herzogs aus dem vollen Ordiesterklanc) plötzlich die vox humana der Orgel löst, dann verspürt man Größe in einer Einfachheit, die nichts mit Primitivität gemein hat, sondern auf einer höheren Stufe der Vergeistigung elementar geblieben ist.

Die Aufführung selbst, unter der musikalischen Leitung von Meinhard von Z a 111 n-ger, war innerhalb eines gut gebauten und geschickt ausgeleuditeten Bühnenbildes (Heinz Ludwig) von Andre D i e h 1 klug inszeniert. Als Blaubart stand Alois Pernerstorfer im Mittelpunkt des Theaterabends, an dessen faszinierender Wirkung Herta T ö p p e r (Judith) großen Anteil hatte. Der nur zögernd einsetzende Beifall steigerte sich von Vorhang zu Vorhang und galt wohl auch einem, der sich weder zeigen noch danken konnte: Bela Bartök.

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