6626949-1956_14_13.jpg
Digital In Arbeit

Unbekannte Zweite

Werbung
Werbung
Werbung

Von Tschaikowskys sechs Symphonien hören wir in den Konzertsälen immer nur die letzten drei. Die 1872 geschriebene 2. Symphonie wurde während der vergangenen Woche in Wien erstaufgeführt. — Fast ebenso unbekannt ist Antonin D v o f ä k s „Zweit e“, die im 7. Philharmonischen Abonne-mentkonzert unter Rafael K u b e 1 i k aufgeführt wurde, obwohl sich seinerzeit (1884), nach der Premiere unter der Leitung des Komponisten in der St. James Hall in London, drei so bedeutende Dirigenten, wie Richter, Bülow und Nikisch, für sie eingesetzt haben. Freilich fehlt ihr die gefällige folkloristische Melodik der berühmten „Fünften“ — dafür aber auch deren stellenweise etwas dick aufgetragene Sentimentalität; ihre Form ist nicht so lapidar, sondern feingliedriger, interessanter. „Unpopulär“ ist auch der düstere Grundcharakter, der die erregten und erregenden Ecksätze beherrscht. Im ganzen: ein Werk, dessen man sich unbedingt von Zeit zu Zeit erinnern sollte. Die Wiederbegegnung, die uns (nach Beethovens „Pastorale“) Rafael Kubelik vermittelte, war hocherfreulich und eindrucksvoll, i v •

Tschaikowskys 2. Symphonie, die der amerikanische Dirigent Paul S t r a u s s mit den Symphonikern zur Erstaufführung brachte, heißt mit Recht die „kleinrussische“ oder die „ukrainische“. Sie wurde in Kamenka bei Kiew, auf dem Gutshof von Tschaikowskys Schwester, geschrieben und verwendet in den Ecksätzen russische Volksthemen in der Art der „Novatoren“. Unverkennbare Merkmale des typischen Tschaikowsky-Stils tragen die beiden Ecksätze, während die mittleren Teile gefällige Genrestücke sind. Uebrigens hat von den vier Teilen dieser Symphonie nur einer, der erste, ein langsames Tempo, und trotz der Molltonart trägt das ganze Werk einen heiteren Charakter. Eine gewisse Glätte und klassische Formung der Partitur ist wohl auf die >echs Jahre nach der Uraufführung erfolgte Durch-und Umarbeitung zurückzuführen.

Hauptwerk des Konzertes „Neue und unbekannte Musik“ unter Paul Strauss war „Herzog Blaubarts Burg“ von Bela B a r 16 k. Nun, ganz neu ist das Werk nicht mehr (es wurde bereits 1911 geschrieben); und als unbekannt kann es nach zwei konzertanten Aufführungen nach 1945 ebenfalls nicht bezeichnet werden. Aber es ist, auch nach mehrmaligem Hören, originell und faszinierend. Der symbolistische Text Bela Balazs, die der Sprachmelodie genau folgenden Gesangstimmen und die einer farbenschimmemden, brodelnden Glasmasse vergleichbaren Orchesterklänge ergeben eine Gesamtwirkung von starkem Reiz. Christa Ludwig und Edmond Hurshell sangen die Partien der Judith und des Blaubart mit gutgeführten, schön-timbrierten, aber nicht sehr durchschlagskräftigen Stimmen, denen man stellenweise auch ein etwas heftigeres dramatisches Expressivo gewünscht hätte. Paul Strauss leitete das Ensemble sicher und mit Temperament.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung