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IM STREIFLICHT

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GfWISCHEN halb sechs und sechs Uhr abends sieht man bisweilen einzelne Herren und Damen keuchend aus Büros und Geschäften eilen, todesmutig belebte Kreuzungen bei rotem Licht überqueren und sich auf fahrende Straßenbahnen aufschwingen. In manchen Häusern sieht man etwa eine halbe Stunde später dieselben Herren und Damen verzerrten Gesichts die Stiegen hinaufstürzen — kurz danach jagen sie die Stiegen wieder herab, zwischen erstem und zweitem Stock ziehen sie den Krawattenknopf zu, verschlucken sie den zweiten Bissen eines sonst nicht berührten Abendessens. — Wer sind diese Leute, was treibt sie zu so wahnwitziger Eile an? Es sind Theaterkartenbesitzer. Und sie werden trotz aller Anstrengung zu spät ins Theater kommen und neben vielen erschöpften Leidensgenossen bis zur Pause warten müssen, ehe sie Einlaß finden … Es hieß einmal, daß die Theater nicht nach acht Uhr beginnen dürften, weil man den Zuschauern und Zuhörern nicht zumuten könne, stundenlange nächtliche Heimwege zu Fuß anzutreten, zu Fuß durch eine Großstadt, deren Nachtverkehr eher einer Kleinstadt entspricht. Ja, aber dann verlegte man das Aufgehen des Vorhangs auf halb acht Uhr. Da war immerhin noch zwischen Büroschluß und Shakespeare ein wenig Zeit — nicht viel, aber es reichte. Es war ein Kompromiß, mit dem alle zufrieden waren. Jetzt aber? Jetzt beginnen mehr und mehr Vorstellungen wieder um sieben Uhr …

EINIGE angeheiterte Rowdies demolierten in der Silvesternacht die Sandsteinfiguren des ehemaligen Carltheaters, die man während der Abbruchsarbeiten an diesem Gebäude auf den Gehsteig gestellt hatte. Diese Figuren besitzen als Teile einer in die Lokalgeschichte ' eingegangenen Theaterfassade einen gewissen Liebhaberwert — ihr künstlerischer Wert ist sehr geringu Wien und seine Parks sind vollgestopft mit derlei spätklassizistischen Bildhauereien. Gleichwohl widmete die Wiener Tagespresse ihnen spaltenlange Nachrufe; Blätter, welche beispielsweise der Nachricht, daß das Barockschlößchen in Hirschstetten dem Verfall nahe sei und dessen höchst wertvolle Mattielli-Plastiken in sehr desolatem Zustand geborgen werden mußten, kaum eine Zeile widmen würden, sie überboten sich in entrüsteten Fragen, warum die Behörden die Figuren vom Carltheater nicht rechtzeitig in Obhut genommen hätten. Wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn nicht Tag um Tag wirklich wertvoller Kunstbesitz in Wien und Niederösterreich verfiele — und wie St. Michael in der Wachau zum Teil nur deswegen verfällt, weil sich die öffentliche Meinung, die auch hier von der Presse repräsentiert wird, kaum darum kümmert…

DER Filmwerbung dienen mitunter Maske- raden und Umzüge, Konkurrenzen im Trikot und Vorführungen in afrikanischen Pelzen, Jagden nach dunklen Männern und lichten Diamanten. Es geht aber auch anders, wie uns die im Foyer des Wiener Künstlerhauses als Werbung zu dem Farbfilm „Hoffmanns Erzählungen“ installierte internationale Plakatrevue beweist. Eine erfreuliche Veranstaltung; einmal, weil gerade in letzter Zeit gegen die gierige Art der Plakatwerbung aus Kreisen der Jugenderzieher, des Publikums und der Künstler selber ernsthafte Einwände laut wurden, und dann, weil die Schöpfung des Wiener Plakats in der erwähnten Exposition gegen stärkste internationale Konkurrenz ehrenvoll besteht. Es geht also auch so: bei den Künstlern, auf der Plakatwand — und im „Beiprogramm“ der Filmveranstaltung.

EIN anderes und keineswegs ruhmreiches Kapitel aus dei Wiener Kulturgeschichte hat soeben sein Ende — oder seinen Titel? — gefunden In der Johannesgasse wurde ein neues Kino eröffnet, das den Namen „Metro" trägt. Nicht einmal der Name erinnert daran, daß dort früher nicht ein Kino, sondern das Theater „Die Insel in der Komödie“ gestanden hat. Wir wissen nicht recht, was „Metro" besagen soll. Assoziationen an „Metropole" sind wohl ausgeschlossen, denn in einer Kulturmetropole pflegen derlei Dinge nicht vorzukommen. Bliebe noch die Frage offen, ob „Metro" — wie man anderswo U-Bahnen zu nennen pflegt — nicht an unterirdische Wege, Verbindungen und dunkle Winkel denken lassen soll, in die das Tageslicht nicht so recht hineindringt…

„SCHRECKEN ist genug verbreitet, Hilfe sei “ nun eingeleitet!“ mag man eich höheren Orts gesagt haben, als man den strengen Ukas wieder aufhob und den Rauchern — nicht ohne sie vorher ermahnt zu haben —- wieder gestattete, auch in den Foyers der Bundestheater ihrem Laster zu frönen. Nun, nachdem der „Raucherkrieg“ auf eine so erfreuliche Weise beendet wurde, könnte man sich den Werken des Friedens zuwenden und auch die Ästhetik zu ihrem Recht kommen lassen, indem man die häßlichen, Vogelbadewannen gleichenden Zinkblechschachteln, die zum Beispiel im Theater an der Wien als Aschenablage dienen, durch hübsche Keramikschalen ersetzt, die genau so feuersicher sind.

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