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Im Untergrund von Paris

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Stoßtrupp der Nächstenliebe. Von Christiane Fournier. Arbeitermissionärinnen im Untergrund von Paris (Religieuses de choc, deutsch von Karl Rauch), Verlag Kerle, Heidelberg 196 Seiten. Preis 8.80 DM

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Stoßtrupp der Nächstenliebe. Von Christiane Fournier. Arbeitermissionärinnen im Untergrund von Paris (Religieuses de choc, deutsch von Karl Rauch), Verlag Kerle, Heidelberg 196 Seiten. Preis 8.80 DM

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Die Verfasserin, die sich erst S. 70 als Journalistin vorstellt, gibt einen Bericht über ihre Besuche und Begegnungen mit den Frauen jener Orden, die im Untergrund von Paris „Mission“ treiben, nicht durch Predigten, sondern indem sie mit den Aermsten das Leben teilen. Unbefragt und oft noch verhöhnt, helfen sie und bezeugen so die Existenz und die Gegenwart des erbarmenden Gottes, „immerwährend tätig, den Strom menschlichen Elends aufzufangen, dem andere Menschen auszuweichen bestrebt sind“ (S. 32). „Für sie ist alles Gnade“ (Bernanos). So die Franziskanerinnen, die nur den Epileptikern und den Körperbehinderten, die Schwestern von St. Paul, die nur den Blinden, solche, die nur den Krüppeln leben. Andere, die Asyle für Geisteskranke halten, andere, die schwachsinnige Kinder unterrichten, wieder andere, die in Frauengefängnissen arbeiten, andere, die für die alleinstehenden Kinder und Waisen, für die Obdachlosen da sind. Da sind die kleinen Schwestern des P. Charles de Foucauld, die über Tag in Fabriken arbeiten und mitten im Tosen der Motoren ihr kontemplatives Leben in einer „innerlichen Klausur“ bewahren; dann die Kleinen Schwestern des P. Perret, die als Gratisdienstboten, und als. solche behandelt, bei Kommunisten- und Proletarierfamilien aufräumen, kochen, Windeln waschen; dann die Gemeinschaft der „Arbeitermissionärinnen“, die ihr Noviziat als Fabrikarbeiterin machen oder in Warenhäusern oder Elendsquartieren oder in einer Bar oder auch in den Revieren der Prostitution, und nur gemeinsam wohnen und beten. Da sind die Arbeitermissionärinnen des Abbe Roussei, die in Vierteln der Riesenpfarren von Paris, in denen fünf von hundert ihr Christentum leben und die Hälfte der Kinder nicht getauft sind, wirken. Nur die auf Gott vertrauende, erbarmende Großzügigkeit Kardinals Su-hards hat solche Gründungen möglich gemacht (S. 118f. ist die letzte Seite aus dem Tagebuch dieses großen Bischofs abgedruckt, ein erschütterndes Dokument!). Probleme über die Schwesterntracht werden aufgeworfen. Die „Revolution der Ordenstracht“, die der Heilige Vater im September 1952 anregte, hat sich nur zum Teil durchgesetzt. Aber die von ihm aufgerufenen „weltlichen Institute“ sind die Orden des 20. Jahrhunderts. Je älter die Gestalt einer Kongregation ist, so faßt das Buch zusammen, desto mehr überlebt sie sich und desto fremder steht sie in der harten Gegenwart (S. 104 bis 121).

Es geschieht in Frankreich Ungeheures in vieler Hinsicht. Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen, geistigen und religiösen Spannungen und Zerreißproben, in denen es lebt, halten es wach und machen seine Besten hellsichtig. Möglich, daß sich ein Buch wie dieses auch hierzulande und überall in den Großstädten über ihre unbekannten Missionärinnen schreiben ließe. Die Franzosen sind jedenfalls schreibseliger als alle anderen Nationen. Kaum hat die Rechte was getan, ist die Linke schon dabei, es zu Papier zu bringen. Gesagt muß werden: wider den Willen der Rechten, was die Linke hier auch einbekennt (S. 71). Dennoch gehört diese gut geschriebene Reportage auf den Tisch unserer Jungmädchenrunden, die, wenn sie auch nicht den Beruf zur Mission im Untergrund der Großstadt in sich entdecken, sehen müssen, wie große und heiligste Ideale heute noch heroisch gelebt werden.

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