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Im Zeichen der Tore

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Die Überschrift ist kein Druckfehler, wie viele Leser dieser sonst auf Kultur und Politik gestimmten Rubrik auf den ersten Blick hin vermuten könnten. Gemeint sind diesmal wirklich Tore, Fußballtore, Goals, um jedes Mißverständnis auszuschließen. Wie sagt doch Wilhelm Busch: „Jeder Jüngling hat nun mal 'nen Hang zum Küchenpersonal.“ Warum also soll in dieser sonst mehr geistigen Genüssen und ihrer kritischen Durchleuchtung gewidmeten Spalte nicht auch einmal vom Sport die Rede sein? Hieß es doch schon im Altertum „Mens sana in corpore sano“. Überdies trägt der Anlaß wahrhaft weltweiten Charakter, denn die via Satelliten vermittelten Übertragungen der diversen Runden von der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko werden in den nächsten zwei Wochen beinahe täglich — in Europa zu mitternächtlicher Stunde — Millionenscharen von Zuschauern rund um den gesamten Erdball vor dem Bildschirm versammeln, wie sie kein Krimi, Quiz und keine sonstige populäre Unterhaltung je mobilisieren könnte. Der Auftakt zu diesem Wettlauf um Tore und Taten mit dem faszinierenden runden Leder, das sogar nationale Leidenschaften aufzustacheln vermag und damit dann in gefährliche Nähe des Bannkreises politischer Kurzschlüsse gerät, verlief — legt man die sonstigen südamerikanischen Erfahrungsmaßstäbe bei derartigen Ereignissen zugrunde — überaus zahm. Kenner der Materie auf dem grünen Rasen waren wahrscheinlich über die gebotene sportliche Qualität dieser Begegnung zwischen der Sowjetunion und Mexiko enttäuscht. Aber für den Fußbailaien, und vielleicht gerade für ihn, waren die Bildschirmblicke auf das von 110.000 Menschen besetzte Oval des Azteken-Stadions in mehrfacher Hinsicht ein Erlebnis. Verblüffend zunächst die hervorragende Bildwiedergabe eines Geschehens, das, weit über zehntausend Kilometer von uns entfernt, sich in beinahe 3000 Meter Höhe neunzig Minuten lang auf der sonnendurchfluteten mexikanischen Hochebene abspielte. Und hierin sind gleich zwei weitere Regungen ehrlicher Bewunderung verankert. Für die 22 Athleten nämlich, die in der spürbar verdünnten Luft und praller Mittagshitze von 35 Grad im Schatten unverdrossen dieser ledernen Roulettekugel nachjagten, angefeuert oder verdammt durch die Schreie aus zehntausenden Kehlen. Einziger Wermutstropfen in dieser erregenden Demonstration einer Massenfaszination: die für den nur mit einem Schwarzweiß-Empfänger ausgerüsteten Zuschauer erschwerte Unterscheidungsmöglichkeit zwischen den Aktionen der beiden Mannschaften. Denn die grünen Leiberln und weißen Hosen der Mexikaner waren für ihn von den roten Leiberln und weißen Hosen der Sowjets nur durch leicht nuancierte Grauwerte getrennt, die man bei der Schnelligkeit oft kaum auseinanderhalten konnte. Da wir gerade bei der sportlichen Widerspiegelung unseres Daseins sind, noch ein kurzes Wort über die optisch gut gelungene und sachlich informative Übertragung des österreichischen Trab erDerby s in der Wiener Krieau. Auch hier wurde eine den Nicht* fachmann ansprechende sportliche Leistung über den Bildschrim zu einer Breitenwirkung gebracht, die ohne dieses Medium sicher nicht erzielt werden kann. Wenn auch mit einem ganz anderen Vorzeichen auf geistigreligiösem Gebiet gilt letztere Feststellung ebenfalls für die optisch-verbalen Reflexionen zur 150. Wiederkehr des Todestages von Clemens Maria Hofbauer sowie dem anschließenden, sehr menschlichen Gespräch mit Kardinal Dr. König zum goldenen Priesterjubilaum von Papst Paul VI., mit dem das Fernsehen seinen Beitrag zum Fronleichnamstag leistete. Die in „Kultur -aktuell“ angerissenen Streiflichter von den Darbietungen der Wiener Festwochen brachten am Beginn eine Chor-und Orchesterprobe mit Professor Alfred Uhl, bei welcher der Komponist in einer wenig vorteilhaft scheinenden Stimmung erfaßt wurde. Ein weiterer Mosaikstein zu dem Thema „Unbarmherzig-keit der Fernsehkamera“.

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