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Immer, immer ist Krieg

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EIN PAAR SCHAUFELN ERDE. Von Franz Theodor C s o k o r. Verlag , Albert Langen- Georg Müller, München-Wien 1965. 202 Seiten. Preis Leinen DM 14.80. - GESCHICHTEN. Von Erich Landgrebe. Sigbert-Mohn-Verlag, Gütersloh 1965. Preis Leinen DM 16.80. — NACHTS WEINEN DIE SOLDATEN. Roman von Ana Maria Matute. Deutsch von Doris Deinhard. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1965. 225 Seiten, Preis DM 16.80.

Das Jahrhundert der kosmischen Erfindungen, des frühen Atomzeit- alters, der Sozialwohlfahrt, des Films, des Kindes hat man unser 20. genannt; seilten wird es das Jahrhundert der Kriege genannt. Und doch zittert und bebt der Krieg, der Rabenvater aller Dinge, durch das Werk unserer Künstler. Da ziehen zwei österreichische Autoren von Rang und Namen Bilanz von fünf beziehungsweise drei Jahrzehnten ihrer Erzählkunst. Und was ist das Herzstück ihrer Erlebnisse? Krieg, Nachkrieg, Partisanenlist, Untergang, tiefe menschliche Tragik.

Csokors „paar Schaufeln Erde” sind mehr als ihr bescheidener Titel verrät: fette, dampfende, fruchtbare, sich blutig verjüngende Furche und Scholle. Sein Krieg reicht von den Römerzeiten („Der eherne Jüngling”) über die Ermordung Sissys („Jedes Herz hört nur sich”), den ersten Weltkrieg („Die steinerne Frau”) und die „Herrendämmerung” der Keren- ski-Epoche bis zum Grauen der Gestapofolter („Der Teufel an der Türe”). Dazwischen eine Handvoll zivilisierter Tragik, Ironie, ja im Kranken-haussterben der Erzählung „Zimmer mit drei Betten” ist eine schmerzliche Heiterkeit, die mit dem Tod brüderlich auf Du steht wie Thomas Manns „Tod des Kleinbürgers”. Alle zusammen sind tiefsinniger, hintergründiger und vor allem poetisch gelöster, als man sie bei Erzählungen unserer Tage anzutreffen pflegt.

Leichter, eleganter und charmanter lesen sich Landgrebes „Geschichten”, die gleich auf dem lustigen Schutzumschlag in leuchtendem Blau- Orange einen Purzelbaum schlagen, indem sie vom Worte „Geschichten” einen Buchstaben nach dem anderen kappen (bis GESC). Ein Bruchstück davon muß natürlich „Geschichte” heißen, und blitzartig leuchtet der Gedanke auf: auch die flaumzartesten unter ihnen („Der Schneemann”, „Die kranken Brüder” und andere) sind in irgendeinem Sinn Geschichte, menschliche Komödie oder Tragödie. Im engeren Sinn Geschichte sind die Erzählungen des zweiten Teiles. Begebnisse von eigentümlicher Spannung aus dem Ostfeldzug des zweiten Weltkrieges und dem Nachkrieg des Eisernen Vorhanges, von denen „Über die Grenze” die gewagteste, aber auch menschlich ergreifendste ist. Die Quasi-Variationen zu Kafka des vierten Teiles verlieren sich da und dort in nebeligen Konturen.

Tiefer, als man neben den beiden Weltkriegen, neben Chinakrieg, Korea, Dien-Pien-Phu und Algerien meinen sollte, hat der spanische Bürgerkrieg seine Spuren in der Weltliteratur hinterlassen. Daß die Autoren, angeführt von Hemingways „Wem die Stunde schlägt”, nahezu alle links stehen, verwundert den Spanienkenner nicht weiter, nicht nur, weil sie aus dem Erlebnis der drohenden Niederlage schreiben… Spät hat dieses nunmehr schon wieder dreißig Jahre zurückliegende Erdbeben ein literarisches Talent von elementarer Kraft entdeckt: die noch nicht vierzigjährige Kastilierin Ana Maria Matute. Ihre Bürgerkriegs-Trilogie begann mit „Erste Erinnerungen”, die (im Spanien Francos!) gleich mit dem Premio Eugenio Nadal, dem spanischen Literaturpreis, ausgezeichnet wurde. „Die Falle” soll das Triptychon beschließen. Jetzt liegt der Mittelteil vor: „Nachts weinen die Soldaten.” Hat man einmal den Schock der eigentümlichen Erzählungstechnik hinter sich (in Klammem unausgesprochene Gedanken und Gespräche!), wird man förmlich überrannt vom poetischen Schwung der Ereignisse und Charaktere. Die Geschichte handelt von dem Revolutionär adeliger Abstammung Manuel und seiner Liebe zur jungen Witwe seines einstigen Ideals, des gefallen- nen Revolutionsführers Jeza, die (hier wandelt die Geschichte strek- kenweise auf dem schmalen Grat zwischen Colette und Kolportage) nach trüben Kindheitserlebnissen als Nymphchen schließlich in Jeza und dann in Manuel Halt und Richtung findet, bis ein Panzerschuß der Franco-Armee ihr und Manuels Leben erfüllt und beendet: auch hier der sich aufdrängende Vergleich zum tragischen Ende des Romane Hemingways, dem durch diesen Vergleich mit der aufstrebenden, hoch- talentierten neuen spanischen Erzählerin kein Stein aus der Krone fallen soll.

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