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In memoriam

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Am 6. Juli werden es 20 Jahre, daß der Dichter Franz Eichert im 70. Lebensjahr gestorben ist. Wie schnell doch die Welt vergißt. . Viele der heutigen Generation wissen kaum mehr von dem als Tyrtäus gefeierten Wiener Lyriker aus der Jahrhundertwende, einem Dichter starker, eigener Prägung, einem kenntnisreichen Sachwalter in literarischen Dingen, einem aufrechten Kämpfer für Wahrheit, Schönheit, soziale Gerechtigkeit und Menschenliebe, einem feurigen Harfenspieler des Herrn.

In den „Modernen Dichtercharakteren“, dem Buch, das die neue Literaturbewegung in den achtziger Jahren einleitete, wurde von der Dichtung verlangt, sie solle — im Gegensatz zur „Butzenscheibenlyrik“ der damaligen Zeit — Großes, Hinreißendes, Imposantes, Göttliches, das doch zugleich Spuren reinster Menschlichkeit in sich trägt, hervorbringen, Hartes, Kantiges, Soziales ... Im Sinne dieser Forderung war Eidiert damals ein moderner Dichter. In mitreißendem Rhythmus der Gedanken und der Sprache trat er, ein tiefgläubiger Katholik, in den Kampf der Weltanschauungen und in die politische und soziale Kampfarena der Vogelsang- und Lueger-Zeit ein. Mit leidenschaftlichem Atem strömte seine dichterische Beredsamkeit in starken Bildern und Gleichnissen, in wuchtiger Sprache dahin. Seine Gedichte in der Sammlung „Wetterleuchten“ fuhren wie ein Sturmgewitter mit Blitz und Donner über Wien und Österreich.

Hört, von den Bergen tost der Hall und bricht sich fern wie Donnerschall, hoch wie ein Wetter bricht es los und ringt sich aus der Tiefe Schoß und springt aus qualbefreiter Brust hervor mit neuer Hoffnungslust; es braust der Ruf, stimmt alle ein: Wir wollen wieder Christen sein!

Franz Eichert war ein Sänger des Aufbruchs der christlichsozialen Bewegung, wie es die Romantiker in der Freiheitsbewegung um 1813 waren. Er zählte zu den Großen der damaligen Zeit, als Dichter und als Wortführer im Gralbund, dem unter anderen Richard von Kralik, Karl Domanig, Adam Traben, Eduard Hlatky angehörten. Seine Gedichte, in zahllosen Versammlungen vorgetragen, wirkten wie die Reden Luegers und die Predigten Pater Abels. Bekennermut, Glaubenseifer, eine glühende Sprache, reich an Bildern, Gleichnissen und Gestaltungskraft zeichneten sie aus. Eichert war eine kämpferische Natur, sein Dichterberuf war ihm ein Amt, das ihm von Gott gegeben war. Wer seine Gedichte heute liest und ihre Entstehungsgeschichte nicht kennt, möchte meinen, sie seien in unseren Tagen entstanden. Scharf und schrill klirrten sie oft, ein eisernes Geschlecht, rasselnd wie die „geharnischten Sonette“ Rückens, sie erinnern auch an die „Wiener Spaziergänge“ Anastasius Grüns. Dabei war er kein Dichter des Hasses, sondern nur der Abwehr, wie er selbst sagte, „nur der Bosheit schwur ich Fehde, der Menschheit aber gilt mein Herz, dem Sünder liebeswarme Rede, der Sünde nur mein scharfes Erz!“

Es ist eigenartig genug, daß der Mann mit dem glühenden Schwert, mit dem er gegen Unglauben und Unsitte, unerbittlich, den Blick höhengewandt, zornentbrannt zu Felde zog, der Kämpfer, der Stürmer, der Donnerer — ein weiches, kinderreines Herz in der Brust trug, ein Samariterherz, das ihn und die mit ihm zu tun hatten, beglückte. So war er auch ein namhafter Vertreter der sozialen Dichtung, den bekannteren dieser Gattung, etwa Alfons Petzold, Heinrich Lersch und Karl Bröger gleich zu stellen. Sein Mitgefühl mit den Enterbten, Geknechteten, Leidenden gestaltete er in eindrucksvollen Strophen.

Ich will nicht wohnen im reichen Saal, wenn meine Brüder in Kellern wohnen; ich will nicht mehren die schlimme Zahl der satten Zehrer, der faulen Drohnen.

Ich will nicht ziehen in Samt und Seid', wenn meine Brüder in Kitteln frieren ; . viel lieber will ich mein warmes Kleid, als jemals mein warmes Herz verlieren.

Ich will nicht sitzen steinern und blind im Glücke und anderen lassen die Scherben, ich bin ein Mensch, wie die anderen sind, und will mit der Menschheit leiden und sterben.

Ihm gelangen, neben den hellen Fanfaren, die zum Kampf entflammten, auch anmutige, innige, zarte Lieder, Liebeslieder, Naturstimmungen, religiöse Gedichte, in den „Kreuzliedern“, „Kreuzminne“, „Höhenfeuer“ gesammelt; auch einige kleine Balladen sind ihm geglückt.

Franz Eichert, geboren am 11. Februar 1857 in Schneeberg bei Bodenbach im Sudetenland, stammte aus einer Försterfamilie, studierte nach der Oberrealschule an der Technischen Hochschule und an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, trat in den Eisenbahndienst, mußte ihn aber aus Kränklichkeit verlassen, und lebte seit 1893 als freier Schriftsteller in Wien. Sein Bild liegt vor mir: ein lieber, alter Herr mit schönem, großen Bart, frischen Augen, die einen freundlich, aber auch schürfend anschauen, der Kopf etwas geneigt, wie er ihn zumeist trug, ein edles, durchgeistigtes Gesicht. — Was er in kleinem Kreise sprach, war ruhig-gelassen, bescheiden, man hätte in ihm nie den Rufer im Streit vermuten können. Einige Jahre vor seinem Tod legte er die Schriftleitung des „Gral“ in andere Hände und verbrachte, immer kränkelnd,seine Tage im Kreis seiner kinderreichen Familie.

Wir legen in Dankbarkeit einen Krane der Erinnerung auf sein Grab in Breitenfurt. Die Ausgabe einer Auswahl aus seinen Gedichten, die schon seit einiger Zeit vorbereitet ist, wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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