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„Instrument gegen Manipulation...“

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Man sehe sich die Plakatwände an, die Zeitungsstände, man blicke in die Presse, höre den Rundfunk, schaue die Filme, das Fernsehen... ein wüster Dschungel von destruktiven Darstellungen in Worf und Bild, Schmutz und Schund stehen obenan, wert- und sinnvolle Produktionen genießen Ausnahmewert. Gibt es wirklich keine Möglichkeit des Schutzes gegen Schmutz und Schund, ohne die uns so teure Demokratie zu gefährden? Da wurde einige Jahre nach dem Kriege, als der ärgste Hunger überwunden war, vom Stadtschulrat Wien und dem Unterrichtsministerium ein Übereinkommen getroffen, nach amerikanischem Muster für die Schüler einen Buchklub zu schaffen. Was Präsident Dr. Zechner und Minister Dr. Hur des* vorschwebte, hatte der hierzu berufene Professor Dr. Richard B amb er g er ins Werk zu setzen.

Er und sein Mitarbeiter Dr. Walter Jambor legten sich mächtig ins Zeug. Sie bereisten unermüdlich alle Bezirke Österreichs, sprachen zu Lehrern, Eltern und Kindern und versuchten ihnen den Stein der Weisen zu offenbaren: Alle Kinder sollten Mitglieder des „Buchklubs der Jugend“ werden und an den Segnungen guter Literatur teilnehmen. Die Idee war begeisternd, das Verständnis von Lehrern und Eltern tief, die Begeisterung der Kinder groß, aber — es kostete Schillinge, und dies schien ein unüberwindliches Hindernis zu sein. Tausende von Versammlungsreden vermochten wohl einige Zehntausend für den Buchklub zu gewinnen, wo aber blieb die Armee von Achthunderttausend?

Da half ein Blitzeinfall. In einem Schulbezirk hart am Eisernen Vorhang fragte ein Junglehrer erst nicht lange die Eltern, sondern steckte das „Jahrbuch“ des Buchklubs, mit dessen Erwerbung die Kinder Mitglieder wurden, einfach mitten unter die Schulerfordernisse: Sparbuch, Rechenbuch, Katechismus, Jahrbuch, Atlas... und die Eltern, die natürlich den Braten rochen, taten gutmütig mit. Schließlich begannen sie den Wert des „zweiten Lesebuches“ zu schätzen, das, reich bebildert, mit den Proben aus Jugendbüchern ihren Kindern einen willkommenen Wegweiser zum Bucherwerb bot. Sofort nützte der Bezirk diese überraschend einfache Methode, und so hatten die Pioniere von Mattersburg 1953 zum ersten Male alle ihre Schüler für den Buchklub der Jugend erfaßt.

Dies machte in ganz Österreich Schule, und in wenigen Jahren waren alle Pflichtschüler Buchklubmitglieder. Der Buchklub ist kein Verlag, keine Buchhandlung, sondern eine literarpädagogische Beratungsstelle für Lehrer und Eltern. Nur Bücher, die eine doppelte Prüfung bestanden haben, werden in die empfohlene Buchklubreihe aufgenommen. Die Schüler bekommen sie um 25 Prozent billiger. Zu Weihnachten veranstalten die Schulen Buchausstellungen. Alles wird in Bewegung gesetzt, daß die Eltern ihren Kindern anstatt Mordwaffen, Pistolen und Gewehre zum Spielen gute Bücher unter den Christbaum legen.

Nachdem die organisatorische Frage gelöst war, kam die eigentliche Aufgabe auf die Tagesordnung; die Arbeit mit dem Buch in der Schule. In edlem Wetteifer versuchten die Lehrer, die beste Methode zu finden. Sie gaben etwa ein halbes Dutzend Bücher desselben Titels an die Klasse zur Heimlektüre aus. War das Buch von allen Kindern gelesen, folgte eine Klassenbesprechung. Mit kritischer Ironie werden solche Menschen dem Tand der Welt begegnen und mit einem geläuterten Bedarf und Hunger nach menschenwürdigen Gütern den Charakter des Angebots auf allen Gebieten der Journalistik, des Films, des Rundfunks und Fernsehens gestalten. In diesem Zusammenhang gewinnt die Reform der Schule einen ganz neuen Aspekt. Mit der Verlängerung der Lebensdauer muß sich auch der wichtigste Abschnitt im menschlichen Leben, die Ausbildungszeit auf mehr Jahre erstrecken. Eine längerdauernde Pflichtschulzeit wird eine aufnahmsfähigere Jugend in Buchnähe bringen. Hier gilt es, das Eisen zu schmieden, den jungen Gemütern die Kraftquellen guter Literatur zu erschließen, sie stark zu machen gegen alles Untergeistige, sie zu freudiger Empfangsbereitschaft zu erziehen für alle die herrlichen Güter dieser Welt, für Gottes Natur und des Höchsten Ebenbild künstlerisches Schaffen.

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