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Italiener unter dem Doppeladler

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DIE ITALIENER IN DER ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHEN MONARCHIE. Von Theodor Vetter. Eine volkspolitlsche und nationall tätenrechtliche Studie. Verlag für Geschichte und Folitik. Wien 1965. 112 Seiten.

Das Nationalitätenproblem in Österreich-Ungarn hat schon viele Federn in Bewegung gesetzt, Beachtung verdient hier Theodor Veiters im „Österreich-Archiv” erschienene Arbeit. Unter Ausklammerung der vorparlamentarisohen Versuche von 1848 bis 1865 untersucht der Verfasser das für das Nationalitätenmosaik in der Monarchie geschaffene System, sofern es die Italiener in Ungarn, in Bosnien und in der Herzegowina, dann in Österreich (Dalmatien, Istrien, Triest, Görz und Gradisca, Tirol) betraf. Bei vorteilhafter Klarlegung des Autonomiebegriffes erfährt der Leser, daß die Italiener in Österreich „insgesamt erheblich mehr Einfluß als alle übrigen Nationalitäten, die Deutschen ausgenommen”, besaßen. Diese Tatsache allein wirft ein helles Licht auf die vom Doppeladler an der Donau geübte Verwaltung und Rechtssprechung und auf das vorbildliche Wirken aller Beamten und Offiziere als kulturverbindende Faktoren. Hievon hatten nicht nur die Italiener ihren Nutzen, denn, wie zu lesen ist, „hat die heutige Geschichtsschreibung zum österreichischen Nationalitätenrecht auf seiten jener Völker, deren Repräsentanten vom ,Völkerkerker1 sprachen, zu nahezu austro- philen Feststellungen geführt, wobei bemerkenswerterweise gerade auch die so glänzende nationalpolitische Lage der Italiener in Trient und Triest unterstrichen wird… Österreich war inmitten der national- staatlichen Denkungsweise als ein um einen gerechten Ausgleich zwischen den nationalen Aspirationen bemühter Völkerstaat, ein Musterbeispiel einer humanitas ethnica.”

Unwillkürlich mündet Veiters Arbeit in das Südtirolproblem, wofür sie zweifellos wertvolle Hinweise zu bieten vermag, denn wirkungsvoller als Sprengstoffanschläge und Partisanenstreiche bleibt eine exakte wissenschaftliche Darlegung der Minoritätenfrage, die doch außer Österreich und Italien zahlreiche andere Mitglieder der Vereinten Nationen beschäftigt. In unseren Tagen, da so viel von Solidarität, Koalition, Koexistenz und Integration gesprochen wird, kann das Minderheitenproblem nicht genug nachdrücklich in den Vordergrund gerückt werden. Was der Autor mit beachtenswerter Sachkenntnis an Nachweisen für die gewissenhaft geübte altösterreichische Sprachenordnung a.ch in Schule, Gericht und Presse in Erinnerung ruft, überrascht selbst genaue Kenner der Materie. Vielleicht hätte noch gefragt werden sollen, wieweit die Irredenta, deren alldeutsche Anhänger milde klassifiziert werden, vor 1914 die außenpolitische Lage bedenklich überhitzt hat. Zur Erwähnung der beim Militär natürlich einen breiten Raum einnehmenden Nationalitätenbehandlung ist zu sagen, daß die „Landwehr” erst 1808 entstand, daß die Landesschützen („Kaiserschützen”!) mit den Kaiserjägem im XIV. und nicht im III. Korps kämpften und daß sie als Spezialtruppe absolut nicht „mangelnder Ausbildung” waren. Zur Vollständigkeit sei noch auf das Kauderwelsch der „lingua di bordo” bei der Kriegsmarine hingewiesen, die jeder nach Belieben benützen konnte. Veiters Betrachtungen sind weite Verbreitung zu wünschen.

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