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Ohne Kinder wird es eishalt in unserer Welt

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Kinder kosten viel: Zeit, Mühe, Geld ... Davon wird oft geredet. Ubersehen wird aber, daß sie auch viel schenken: Freude, Sinn, Vertrauen, Hoffnung ...

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Kinder kosten viel: Zeit, Mühe, Geld ... Davon wird oft geredet. Ubersehen wird aber, daß sie auch viel schenken: Freude, Sinn, Vertrauen, Hoffnung ...

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Die schnellen deutschen Luxuszüge bieten eine interessante Möglichkeit, um Studien über das Timbre unseres Zeitgeistes zu betreiben. Wartet man an einem gewöhnlichen Alltag mit den Beisenden auf einem Bahnsteig und geht an ihm entlang, so läßt sich zum Beispiel die Erfahrung machen, daß Fahrgäste mit Kindern eine Seltenheit sind. Je weiter man bis zum Köpf des Zuges mit den drei Erste-Klasse-Wagen vorstößt, umso geringer sogar wird die Wahrscheinlichkeit, auf einen Kinderwagen, fröhlich hopsende oder sorgsam an der Erwachsenenhand gehaltene Kinder, auf Buggys oder ähnliches Gepäck zu treffen. Fährt der Zug ein, so kann man oft beobachten, daß die seltenen Mütter mit Kindern eher zuletzt als (was früher selbstverständlich war) als erste mit ihrer umfänglichen Bagage den Einstieg schaf-fen. Wenn Mutter und Kind oder gar eine Familie mit mehreren Kindern ein Abteil besetzt haben, kann man ziemlich sicher sein, daß die dort noch freien Plätze leer bleiben. Man scheut die störende Kindernähe.

Nachhaltig werden so zwei Gegebenheiten sichtbar: Die moderne Welt ist eine Welt ohne Kinder. 1,3 Kinder pro Familie in Deutschland (1,8 in Österreich) weisen nicht nur auf die Bevölkerungsimplosion in Europa hin, sondern auch darauf, daß wir eher eine kindermiesmachende, eine grundsätzlich kindermeidende Gesellschaft geworden sind. Kinder stören, Kinder sind unbequem, Kinder sind anstrengend. Sie hindern uns, es uns bequem zu machen. Der Impuls, Müttern mit Kleinkindern Vortritt zu geben und ihnen so Bespekt zu zollen, scheint geradezu gestorben zu sein. Als lästig und Geduld abfordernd werden sie eher beiseite gelassen, gewissermaßen übersehen, als daß man ihnen mit ritterlichem Anstand behilflich wäre.

In der Zug-Situation kommt dergleichen geradezu symbolhaft zum Ausdruck, in einer Weise, die durchaus ein typisches Schlaglicht auf unsere gefährliche kinderfeindliche Welt wirft; denn Kinder sind nun einmal grundsätzlich die Garanten unserer Hoffnung auf Zukunft. Ohne eine nachwachsende junge Generation platzen zuerst die Generationsverträge, danach schwindet die wirtschaftliche Prosperität, und schließlich ist Genozid angesagt auf welche-Weise auch immer ...

Der moderne Mensch der Gegenwart wird dazu angehalten, so nicht zu denken. Das „Hinter uns die Sintflut" gehört zur Zeit zu unserer fest installierten Mentalität. Wir sind vielmehr darauf gepolt, die Gegenwart zu genießen. Aber angesichts dieser Einstellung sollte doch die Frage erlaubt sein: Kann das denn überhaupt ohne Kinder erreicht werden? Führt die Ausrichtung auf Gewinn, Karriere und Bequemlichkeit nicht auf die

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