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Lob der Ernte

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Mag auch jede von gutem Willen getragene Arbeit dem Wirken aufbauender und veredelnder Kräfte dienen und den Weg bereiten, so ist doch seit unvordenklichen Zeiten das Tagewerk des Bauern besonders gottnah und segensreich, denn durch die Mühsal seiner Hände und den Segen Gottes wandelt sich karges Gelände in wogende Ährenfelder und bringt die schweißbetaute Scholle tausendfältige Frucht. Jeder Landmann ist sich bewußt der schicksalhaften Beziehung zwischen Himmelsmacht und Erdenwelt, der Abhängigkeit alles Irdischen von höheren Gewalten. Darum sind seit altersher die Sitten und Bräuche des Landvolkes von den ewigen Wahrheiten der Religion durchwoben und verklärt. Dies gilt für alle Völker und Stämme Europas, ob die einen, ihren Wohnsitzen entsprechend, ihre Feste im Sinne des christlichen Abendlandes feiern oder bei anderen die Eigenart Ost-Roms die religiösen Vorstellungen und demgemäß auch die dörflichen Feiern im Jahresreigen bestimmt.

Wie alle Bauernvölker haben auch die Kroaten, die seit Jahrhunderten dem im Donauraum erstandenen katholischen Kulturkreise angehören, in bitteren Zeitläuften erfahren, wieviel Entbehrungen es kostet, bis die halmende Kraft des Kornes das Saatgut in goldene Garbenlasten verwandelt. Wenn darum die Zeit des Schnittes gekommen ist, herrscht in den Dörfern Jubel und eitel Freude. Frühmorgens, wenn die Wachtel schlägt und die Hügelweiten wie leuchtende Wogen den Widerschein des anbrechenden Tages tragen, ziehen die Schnitterinnen und Gärbenbinder aufs Feld hinaus. So oft die Frauen und Mädchen sich tief beugen, um mit breitem, ausholendem Handgriff ein Halmenbüschel ztr“erfassen, das sie mit scharfem Sichelschnitt vom Wurzelgrund trennen, verschwinden die grellroten Kopftücher im Ährenmeer, um gleich darauf in langer Reihe wieder aufzutauchen, als nicke eine Schar flammender Mohnblumen von ' riesenhafter' Größe im Takt eines Liedes, das vom Sommerwind über Berge und Gärten getragen wird und von der heimlichen Süße der Trauben erzähl, die an den steilen Hängen dem Herbst der Erfüllung entgegenreifen. Eine Stimme beginnt, die anderen fallen ein, Gesang lobt den Schöpfer und dankt für die Fülle der Gaben.

Steil wölbt sich der Sonnenbogen dem Mittag entgegen. Die Schatten werden kürzer, sie verbergen sich fast unter den Füßen der Schnitterinnen. Scherzworte fliegen hin und wider. Frauenlachen schwingt übers hohe Korn und dann hebt wieder eine der schlanken Schnitterinnen mit den herben Gesichtszügen und tollkirschenschwarzen Augen zu singen an. Zuerst ein Spottlied, das einen geizigen Hausvater höhnt und von einer faulen Schwiegertochter allerlei Flcimlich-keiten zu berichten weiß. Die flammenden Mohnblumen neigen sich und versinken im Ährengold, um mit Jauchzen und Sichelklingen wieder aufzutauchen. Dann folgt wieder ein Erntelied geistlichen Inhalts, das in rührender Weise die Gottesmutter und ihr Kind verherrlicht:

Brenne, brenne, Sonne mein, auf den Acker, karg und klein. Sonne glänzt in Badi und Quelle, fliegt ein Vöglein über Höhen. Trüb' mir, Vöglein, nicht die Quelle, - soll draus trinken Jesulein, audi sein Hebes Mütterlein, Jungfrau Maria, hold und rein.

Nun rasten die Schnitterinnen und Garbenbinder am schattigen Waldrand. Auf dem honiggelben, flaumigen Maisbrot glänzen Specksdiwarten und weiße Zwiebelscheiben. Der kühle Mostkrug macht die Runde. Nach dem Imbiß beginnt wiederum der Arbeitsreigen, der erst im sinkenden Abend sein Ende findet.

So geht es Tag für Tag, bis das weite Feld abgeerntet ist. Unter Segenssprüchen ergreift die älteste Schnitterin die letzte Garbe und schleudert sie empor. Je besser der Wurf gelingt, um so köstlidier soll der Strudel sdimecken, mit dem die Hausmutter die Erntearbeiter bewirten wird. Hierauf werden alle Sicheln in die letzte Garbe eingehackt, die Sdinitterinnen verrichten, im Kreis um die Garbe kniend, ein Gebet. Sie danken der Jungfrau Maria von Flerzen für den Feldersegen.

Sinnreich und sdiön ist audi der in manchen Gegenden Kroatiens geübte Brauch der Ährenwahl. Eine der Schnitterinnen wählt aus der letzten Garbe besonders reiche Ähren aus, die sie der Reihe nach dem Bund entnimmt und zu einem Strauße vereinigt. Die erste Ähre wird, wie dies aus den begleitenden Sprüchen hervorgeht, Gottvater zugedacht, die zweite Gottsohn und die dritte dem Heiligen Geist, während die vierte dem Grundherrn, die fünfte den Dorfarmen und die sechste und letzte allen Menschen gewidmet wird, die ohne eigene Ernte der bösen Winterzeit entgegengehen. Die Erde unter der letzten Garbe gilt als heilkräftig, doch muß die Schnitterin durch den Garbenbund hindurdi greifen, um sie zu erfassen, worauf die Krume von der Hausmutter in einem Leinensäckdien sorgfältig verwahrt wird.

Singend flechten Frauen und Mädchen nach der Arbeit aus besonders schönen Ähren Erntekränze, die ebenso wie die Erntesträuße von allen Schnitterinnen und Garbenbindern gemeinsam dem Hausvater in festlichem Zuge Jfiberbracht werden. Übermütige Lieder künden vom Glück, das nun durch die reiche

Ernte im Dorfe eingekehrt ist:

Für Diva-Oliva reifte Getreide, drei Kränze band sie von reifem Getreide,

Ährenkränze mit Wein besprengt, den ersten band sie mit Weizenhalmen, den zweiten wand sie mit rankenden Reben, den dritten mit Frohsinn und Freude am Leben, den köstlichen Gaben des Erntekranzes.

Tragt ihn hinaus auf unsere Felder, reicher dann reifen die Körner und Trauben, den Kranz gefloditen mit Freude am Leben tragt ihn durchs Dorf, daß Freude und Frphsinn uns nimmer verlassen!

Mit frommen Sprüchen und Segenswün-schsen haben die Frauen und Mädchen den Hausleuten Erntekranz und Ährenstrauß überreicht. Nun erhalten alle ihren wohlverdienten Lohn. Strudel und Most werden aufgetragen. Der Dudelsack quäkt und die Tamburiza begleitet mit sirrendem Saitcn-klang die frohen Erntelieder und Kolo, einen Reigentanz, dem sich die Dorfjugend mit ebenso viel Begeisterung wie Anmut hingibt. Bis tief in die Nacht währt das lustige Treiben.

Sind Dudelsack und Tamburiza verstummt und Tänzer und Tänzerinnen, müde und schlaftrunken, heimgewandert, dann macht der Bauer die Runde durch Haus und Hof. Gespenstisch huscht der Schein der Laterne vor ihm her. Schatten verkriechen sich scheu im Gebälk. An der bleichen, kalkgetünchten Wand hängt das Kreuz aus dunklem Holz. Dornenbekrönt sieht der göttliche Dulder auf den Ährenkranz hinab, der ihm zu Füßen im Widerschein des Lichtes schimmert, als sei durch die Kraft unendlicher Liebe die Frucht eines arbeitsschweren Jahres zu eitel Gold geworden.

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