Nachtgestalten portrait - © Illustration: Nicolas Mahler

„Nachtgestalten“: Darauf pinkeln die Eulen

19451960198020002020

Jaroslav Rudiš und Nicolas Mahler begleiten in ihrer Graphic Novel „Nachtgestalten“ zwei Antihelden durch Prag.

19451960198020002020

Jaroslav Rudiš und Nicolas Mahler begleiten in ihrer Graphic Novel „Nachtgestalten“ zwei Antihelden durch Prag.

Werbung
Werbung
Werbung

Der kleine Dicke sagt zum großen Dünnen: „Darauf pinkeln die Eulen. Hat mein Großvater immer gesagt.“ Verständnislos fragt der Freund: „Und was heißt das?“ In den übereinander gezeichneten vier Sprechblasen steht die Antwort des Kleinen: „Dass es egal ist. Vorbei. Dass es keine Rolle mehr spielt. Dass es keinen Sinn macht.“

Der Dialog zwischen den beiden „Nachtgestalten“ enthält kein überflüssiges Wort, die Zeichnungen keinen überflüssigen Strich. Einzelne Wörter, Halbsätze, kurze Sätze, nur selten Nebensätze. Die beiden Strichmännchen sitzen mit dem Bierglas in einem Beisl, zünden sich bisweilen eine Zigarette an und ziehen durch das fahl beleuchtete Prag in das nächste Lokal, bis am Ende auch der letzte Kiosk den Rollladen schließt. Der dünne Lange hasst das Wandern und die Natur, aber er liebt das Spazieren durch die Stadt, und beide lieben sie es, „ein Bierchen hier, ein Bierchen da“ zu trinken. Gerne gehen sie auch schweigend durch die Nacht oder starren wortlos in ihre Biergläser.

Schwarzer Humor

Der tschechische Autor Jaroslav Rudiš und der österreichische Comiczeichner Nicolas Mahler erzählen die Geschichte der beiden Freunde in einer kongenialen Kombination von minimalistischer Text- und Bildersprache. Dass die beiden Künstler Ähnlichkeiten und Vorlieben mit den beiden Figuren in ihrem Buch „Nachtgestalten“ teilen und dass die Arbeitsgespräche in diversen Wiener Beisln bei Schnitzel und Bier stattgefunden haben, hat sicher zum gelungenen Ergebnis beigetragen. Denn schwarz und dunkel sind die Nächte, aber auch der Humor und der Witz in Wien und Prag. Und so zeichnen die Farben Schwarz, ein dunkles Blau und ein wenig Weiß nicht nur eine nächtliche Stadtlandschaft, sondern auch die Endzeitstimmung der beiden Antihelden. Bisweilen erleuchten Lampen hellweiß die Biertische, und der Vollmond kontrastiert als weiße Scheibe den dunkelblauen Nachthimmel.

Nicolas Mahler ist vielgerühmt für seine Comic-Interpretationen von literarischen Texten, wie etwa von Joyce, Musil und Bernhard. Diesmal hat ihm Rudiš die Dialoge per Post zugesandt, dann haben beide gemeinsam am Buch gearbeitet und immer radikaler und strenger Texte und Bilder komprimiert.Jaroslav Rudiš hört gerne zu und liebt die gesprochene Sprache. Was er in den Wirtshäusern aufschnappt, das findet sich dann auch in seinen dialogreichen Büchern wie in seinem jüngsten und erstmals in deutscher Sprache geschriebenen Roman „Winterbergs letzte Reise“, einer Eisenbahnreise zweier Männer durch Mitteleuropa, die geprägt ist vom Mitschleppen der Geschichte dieser Region.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung