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Peter Stamms Erzählungen geben Platz zum Nachdenken und Ruhigwerden.

Ich brauche ja nichts', sagte er. Ich hab ja alles, was ich brauche.'" Henry hat Manuela mit in seinen Wohnwagen genommen. Sie haben gerade miteinander geschlafen. Er zieht mit einer Artistentruppe durchs Land, sie arbeitet in einem Fastfood-Restaurant. Es ist erst wenige Stunden her, dass sie sich kennen gelernt haben. Ob er aus dem Osten sei, hat sie ihn gefragt, als er seinen Hamburger bezahlte. Henry ist der "Feuerteufel", er liegt auf einem Auto, das durch eine brennende Wand fährt, das ist sein Part in der Autostunt-Show. Er hätte gern eine Frau, so wie die andern, die, die alles haben. Manuela antwortet nicht auf seinen Satz vom Brauchen. Was soll man darauf auch antworten.

Still sind die Erzählungen, oft dämpft das Wetter jeden Schall, es regnet oder es schneit wie in Die ganze Nacht. Ein Mann wartet in Manhattan auf seine Freundin. Sie verspätet sich, das Flugzeug wird wegen des Schneesturms umgeleitet. Er hatte vor, ihr etwas Wichtiges zu sagen. Sie muss mit dem Zug nach New York und kommt erst mitten in der Nacht. Irgendetwas muss zwischen den beiden vorgefallen sein, irgendetwas in ihm scheint durch das Warten umgestimmt worden zu sein. Was es ist, wird nicht erzählt. Im Mittelpunkt immer das, was nicht gesagt wird, ein Schweigen oder eine Leere. In der titelgebenden Erzählung ist es ein verwaistes Haus. Nur eine Nachbarin betritt es manchmal, um die Post hineinzulegen und die Blumen zu gießen.

Stamm sieht seinen Figuren zu beim Tun, beobachtet ihre Gesten, gibt ihre spärlichen Sätze wieder, nichts weiter. Einfache Sprache, kaum Metaphern, gekonnter Umgang mit Leitmotiven, das alles ist typisch für Stamms Prosa. Seine größte Kunst aber ist, wie konsequent er Leerstellen lässt, indem er Figuren nicht erklärt, ihrer Sprachlosigkeit nichts hinzufügt.

"Ihr müßt beim Singen die Frage stellen und die Antwort geben", lässt er einmal einen alten Mann sagen, der mit Kindern ein Lied übt, und scheint sich in seinem Schreiben selbst an diese Devise zu halten. Nicht immer glückt das Vorhaben, manchmal wirkt seine Anstrengung manieriert. Und doch: Man hat als Leser schon lange nicht mehr so viel Platz zwischen den Zeilen gehabt zum Nachdenken und Ruhig-Werden auch.

In fremden Gärten

Erzählungen von Peter Stamm

Arche Verlag, Zürich 2003

153 Seiten, geb., e 18,50

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