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Romane über den Orient

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Drei Israelioffiziere verzehren sich an einer Frau, die in dieser Welt „ein fremdes Korn“ ist. Sie ist nur von mäßiger Hübschheit, hat tiefliegende, dunkelgraue Augen, die eigentlich zu groß sind; sie ist mager und schlecht angezogen, weder charmant noch interessant; zwar gebildet, aber impassibel bis zur Interesselosigkeit. Wenn sie besucht wird, sitzt sie nur da, trinkt Tee und redet zwei, drei Worte. Doch Uri, Dan und Arnos lieben sie, obwohl sie ihnen keineswegs entgegenkommt und jedem sagt, er täusche sich in ihr. Aber die drei Offiziere leben im Negev, auf einem vorgeschobenen Kommandoposten in der Wüste, wo der brennende Wind weht, und haben Träume. Ruth ist ihr Gefäß geworden, das Gefäß für ihre Träume. Sie brauchen etwas, in das sie sich ergießen können. Das ist es, darum geht es. Es geht um Männer, die ein Wesen brauchen, das ihren Phantasien keinen Widerstand entgegensetzt. Einer Frau aus Fleisch und Blut hätten sie sich anpassen müssen; aber Ruth ist keine Frau aus Fleisch und Blut, sondern so etwas wie eine Fee Morgain. Uri hatte seine geliebte Schwester verloren und Ruth geheiratet, weil sie ihr ähnlich sah. Sie sagte ihm zwar, sie liebe ihn nicht, aber er wollte sie haben. Er wollte seinen Traum wiederhaben, und dann kam die Enttäuschung, das Erwachen und Umsichschlagen und die Erbitterung. Und Arnos ist ein Troubadour mit einer verzwickten Vorstellung vom Minnedienst; er macht Gedichte und besingt in Versen seine Phantasien. Liebt er? Er liebt seine eigenen Vorstellungen und er braucht nur einen Haken, um sich daran festzuhalten. Als er für sie in den Tod geht, hinterläßt er ihr seine Gedichte. Aber Ruth will sie nicht einmal lesen, denn sie haben ja nichts mit ihr zu tun. „Er hat sie nur für das Bild geschrieben, das er von mir hatte. Nicht für mich. Ich will sie nicht.“ Dann nahm sie die Blätter in die Hand und hielt sie ins Feuer. Und Dan ist ein „Voyeur“, der sich ein Schicksal mit ihr ausdenkt, für das sie nicht zu haben ist. Denn sie kann nicht lieben. Sie liebt auch ihre beiden Kinder nicht und zieht sie nur auf wie kleine Tiere Woraus sich ergibt, daß dieser Roman ein Roman der Frustrationen ist. Er ist auf Vereitelungen angelegt und verläuft wie das Wasser im Sand. Was aber innen vor sich geht, wird außen manipuliert und in eine Handlung aufgefangen, die allerdings öfter der symbolischen Koinzidenz entbehrt.

„Der brennende Wind“ ist der erste Roman der gebürtigen Amerikanerin Margaret Benaya, die jetzt im Staate Israel lebt. Er ist noch keine reife Frucht, aber man wird sich diesen Namen merken dürfen.

ES GESCHAH IN PER 1002. NACHT. Roman. Von Marcel B r i o n. Aus dem Französischen von Theodor R o c h o 11. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 252 Seiten. Preis 12.80 DM.

Der Advokat und Biograph Machiavellis, Marcel Brion, der auch ein Buch über abstrakte Malerei herausgegeben hat, ist eine Zeitlang im orientalischen Osten gewesen und interessierte sich dort für die Ergebnisse der Turfan-Expeditionen und für die Restbestände der manichäisch-nestorianischen Ueber-gangskultur am Nordostrand des „fruchtbaren Halbmonds“. Daraus entstand nun sein Märchen: „Es geschah in der 1002. Nacht.“

Sein Erzähler ist irgendwo im Ostturkestan auf der Suche nach manichäischen Fresken, gerät in Höhlen mit buddhistisch-mahaianischen Wandmalereien, wird dort drei Tage lang von einem Sandsturm festgehalten, schläft ein und gleitet im Traum zurück in eine seiner — so muß man wohl annehmen — vergangenen Existenzen. Er findet zu Füßen des Berges, in dem er in einer Höhle Schutz gefunden hat, eine Oase mit einer vom Leben erfüllten Stadt aus dem ungefähr 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und wird, was er schon einmal war; findet Freunde, eine Frau und kommt in einen Kreis von Wissenden und Weisen, die über Gott, die Götter und die Welt meditieren, bis wieder jener Sandsturm kommt, der ihn schon einmal vertrieben hat und seine Stadt begraben. Er flieht auf den Berg zurück, verbirgt sich in der Höhle, schläft ein und erwacht wieder in unsere Zeit hinein, womit sein Abenteuer sein Bewenden hat.

Diese Erzählung ist streckenweise nicht ohne poetischen Reiz und nach der Art orientalischer Liebes- und Abenteuergeschichten gemacht, auch ein wenig nach der Art der gnostischen Romanliteratur des kleinasiatischen Kreises. Einzelne Szenen sind hübsch und bunt und zart wie persische Miniaturen, aber das Ganze ist für unseren Geschmack doch zu theosophisch-synkretistisch und das Spielerische der Erzählung und die gnostisch-kabbalistischen Symbolismen entschädigen nicht ganz für den Ausfall an romanhafter Substanz Bert Herzog

Die heimliche Fahne. Kampf und Bewährung einer Gemeinschaft junger Menschen aus den Jahren 1938 bis 1945. Von Heribert Wenninger. Ober-österreichischer Landesverlag, Linz. 180 Seiten.

Der Verfasser verstarb im lahre 1953, kaum dreißig lahre alt, in den Bergen seiner oberösterreichischen Heimat. Er hinterließ das Manuskript eines Romans, in dem er versuchte, das Leben und politische Denken einer Gemeinschaft junger katholischer Menschen in Oesterreich vom Jahre 1937 bis 1944, darzulegen. Wenninger kam aus der katholischen Jugendorganisation und gehörte zu den Stillen im Lande, die es auf sich nahmen, für Oesterreich, für ihren Glauben und für eine bessere Zukunft im Schatten der Diktatur einzutreten. Die Darstellung, die mit dem letzten Sommer der Freiheit beginnt und die Kriegsjahre in dichterischer Schau einschließt, ist ein Beitrag zur noth sehr vernachlässigten Geschichte der österreichischen Widerstandsgruppen, vor allem in den Bundesländern. Erschütternd sind dabei die verschiedenen Hinweise auf die politischen und seelischen Konflikte, der Generation, die Oesterreich 1938 untergehen sah und erst angesichts des Verlustes des Vaterlandes auf leidvollen Umwegen zum Väterglauben und zur Heimat zurückfand.

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